Schuldenatlas Sachsen-Anhalt Schuldenatlas Sachsen-Anhalt: Jeder Zehnte im Kreis Wittenberg überschuldet

Wittenberg - Im Schuldenatlas des Landes Sachsen-Anhalt schneidet der Kreis Wittenberg am besten ab. Sind in der Stadt Halle 17 Prozent der Erwachsenen überschuldet, trifft es zwischen Fläming und Dübener Heide nur jeden Zehnten. Eine gute Nachricht ist das für Michael Harmuth, Leiter der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Caritas in Wittenberg dennoch nicht. Daraus lasse sich doch nur schlussfolgern, dass es woanders noch schlimmer ist. Woher diese Unterschiede kommen, dafür habe er keine Erklärung.
Ausgelastete Sprechzeiten
Der Arbeitsalltag spiegele die angespannte Situation: „Wir haben permanent den Eindruck, dass wir mit unseren Sprechzeiten kaum hinterher kommen“, sagt Harmuth. Die Sprechstunden seien stets ausgelastet. „Wenn jemand bei uns anruft, versuchen wir zeitnah einen Termin zu vergeben.“ Es riefen mehr an, als tatsächlich kommen: Wäre dem nicht so, „wären wir tatsächlich heillos überlastet.“
576 Personen aus dem Kreis haben 2014 die Hilfe der Schuldnerberatung in Anspruch genommen. Hinzu kommen noch 125 Personen, die Hilfe beim Antrag auf ein Konto mit Pfändungsschutz (P-Konto) benötigten. 138 Insolvenzanträge wurden gestellt und zwölf außergerichtliche Vergleiche im Sinne der Insolvenzverordnung geschlossen (Vorjahr 155/5).
Ratsuchend sind meist alleinstehende Männer
Die Ratsuchenden sind mehr Männer als Frauen und meist Alleinstehende. Von der Altersstruktur her findet sich fast die Hälfte in der Gruppe der 26- bis 45-Jährigen. Knapp sechs Prozent sind älter als 60 Jahre. Tendenz allerdings steigend: „Wir bekommen langsam die Altersarmut zu spüren“, so der Leiter der Beratungsstelle. „Die Einkünfte bei manchen Rentnern reichen nicht mehr aus, Verbindlichkeiten zu bedienen.“ 70 Prozent der Klienten sind Empfänger von Hartz IV oder Sozialhilfe. „Das Jobcenter ist ein wichtiger Partner“, sagt der Mann von der Caritas. Etwa die Hälfte dieser Betroffenen wird vom Jobcenter geschickt, aber auch andere Beratungsstellen geben den Anstoß, die Schuldnerberatung aufzusuchen.
Handyverträge und Konsumkredite führen in Schuldenfalle
Das neue Familienförderungsgesetz verpflichtet die Beratungsstellen zu verbindlicher Zusammenarbeit. „Es gibt gemeinsame Beratungen mit den Betroffenen an einem Tisch. Dann sind viele Prozesse effizienter und die Klienten haben nicht das Gefühl, dass von allen Seiten an ihnen herumgezerrt wird.“ Bei jüngeren Klienten hätten nicht selten Handyverträge, Autofinanzierungen und andere Konsumkredite dazu geführt, dass sie ihrer Schuldenlast nicht mehr Herr wurden. Dazu komme der Bereich von Miet- und Energieschulden, berichtet Harmuth. „Aber es gibt auch die tragischen Fälle, wo alles gut geplant war und dann der Verlust des Arbeitsplatzes, Scheidung oder Krankheit alles zunichte machen.“ So treffe es eben auch Menschen, die man der „gut situierten Schicht“ zuordnen würde.
Die Listen der Gläubiger in den Einzelfällen „reichen von einem bis 150“ wobei die Schuldenbeträge, die sich im vier- bis sechsstelligen Bereich bewegen, auch entgegengesetzt proportional sein können, so Harmuth.
„Sie haben den ersten Schritt geschafft“, steht auf der untersten Stufe der Treppe, die in der Bürgermeisterstraße 12 in die Arbeitsräume der Caritas-Berater führt. Die können den Betroffenen die Schuldenlast letztlich nicht abnehmen. Aber sie helfen ihnen, Übersicht über die Verbindlichkeiten zu gewinnen und sich möglichst außergerichtlich mit Gläubigern zu einigen und ihre Schulden zu regulieren. Der Antrag auf Privatinsolvenz, so Harmuth, soll der letzte Ausweg sein.
Beratungszeiten in Wittenberg sind jeden ersten Dienstag im Monat von 15 bis 18 Uhr und jeden dritten Donnerstag monatlich von 9 bis 12 und 15 bis 19 Uhr. In Gräfenhainichen (Kirchplatz 1) wird montags 13 bis 18 Uhr beraten. (mz)