Schrott oder Denkmal? Schrott oder Denkmal?: Stadtrat steht zum Flüchtlingsboot
Wittenberg - Wittenbergs Stadtrat hat einen Ausflug in die große Politik unternommen - und Flagge gezeigt. Dem Ansinnen von AfD-Mann Dirk Hoffmann, das Flüchtlings-Boot am Schwanenteich, das an die Dramen erinnern soll, die sich auf dem Mittelmeer abspielen, „als Schrott zu entsorgen“, ist eine deutliche Abfuhr erteilt worden. Nach langer und teils hitziger Diskussion stimmten lediglich drei Stadträte für den Antrag, alle anderen aber dagegen.
Flüchtlingsboot aus Wittenberg vors Kanzleramt?
Hoffmann argumentiert auf verschiedenen Ebenen. Auf der ideologischen: Das Boot drücke die „Zustimmung der Stadt aus zur unsäglichen Politik der Bundesregierung“, wenn schon, dann sollte es vors Kanzleramt gestellt werden. Zudem habe es mit Reformation und Menschlichkeit nichts zu tun: „Es ist unmenschlich, Leute in so eine Situation zu bringen.“ Der Stadtrat der AfD spricht von „so genannten Flüchtlingen“, die „illegal einreisen dorthin, wo es die besten Sozialleistungen gibt“. Die andere Ebene ist die pragmatische: Das Boot stelle eine Gefahr dar für Kinder, es sei marode, es fehle an Kontrolle und überhaupt: „Die Menschen lehnen das ab.“
Die große Mehrheit im Stadtrat jedenfalls nicht. Sichtlich erregt trat Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) ans Mikrofon: Hoffmann leiste sich „sprachliche Entgleisungen“ und Sprache sollte einen und nicht spalten. Es gehe nicht „um so genannte Flüchtlinge“, es komme darauf an, die „Menschen in den Mittelpunkt zu stellen“. Das Boot, so der Oberbürgermeister, sei ein Ort des Anstoßes, um über Moral, über gesellschaftliche und juristische Verpflichtungen nachzudenken. Was er einräumt: „Ja, es fehlen erklärende Hinweise.“ Und ja, der Fehler bei der Flüchtlingspolitik sei, „nicht erklärt zu haben, wie es weiter gehen soll. Wir fahren auf Sicht.“
Der Antrag von Dirk Hoffmann hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Viele Stadträte wollten es sich nicht nehmen lassen, Stellung zu beziehen. Zum Beispiel Bernhard „Luther“ Naumann (SPD): Das Boot sieht er als Symbol der Menschlichkeit, es weise auf Schicksale hin, darauf, wie es Menschen gehen muss, die sich einem solchen Seelenverkäufer anvertrauen. Dass es auf dem Trockenen stehe, passe gut: „So kommt sich ein Flüchtling vor, der in einem fremden Land landet.“ Was auch Naumann wie die meisten anderen konzidiert: „Natürlich muss dort wieder eine Informationstafel hin.“ Das Boot womöglich einzuzäunen oder an einen anderen, sichereren Ort zu bringen, dafür spricht sich Reinhard Lausch (Grüne) aus. Ansonsten sagt er: „Es steht für die Rettung von Menschen, also für Humanität.“ Und Flucht sei zu vermeiden, wenn es mehr fairen Handel und Gerechtigkeit gebe.
Dass das Boot „goldrichtig“ platziert sei, ist die Meinung von Uwe Loos (Linke) - eben in der Nähe einer Schule, in der Migranten unterrichtet werden. „Die Entscheidung war richtig.“ Im Übrigen könne Hoffmann ja einen Arbeitseinsatz organisieren, um Sicherheitsmängel zu beheben. Auch Stefan Kretschmar, Fraktionschef der Freien Wähler, findet den Platz an der „Rosa“-Schule passend: „Dort gibt es die meisten integrativen Klassen in Wittenberg. Und wer vor dem Boot steht, der beginnt nachzudenken.“ Etwa darüber, dass die reichen Länder mitschuldig sind an der Flüchtlingskrise.
Dass die Sprache im Antrag von Hoffmann „schwer erträglich“ sei, hebt Insa Christiane Hennen als Sprecherin der CDU-Fraktion hervor: Sie signalisiere Ausgrenzung und Herabwürdigung. „Das ist unter Niveau.“ Das Boot indes vermittle eine Ahnung vom Leidensdruck der Flüchtlinge und rege an, nachzudenken darüber, was getan werden kann, damit die Menschen in ihrer Heimat bleiben und wie mit denen umzugehen sei, die hier sind.
Flüchtlingsboot in Wittenberg erinnert an Menschen in Not
Während Heiner Friedrich List (AdB) sich auf die Seite seines Fraktionskollegen Dirk Hoffmann schlug und sagte „Das ist Schrott und gefährlich. Es geht um die Sicherheit“ mahnte FDP-Mann Rudolf Kaufhold, an die 39 Millionen Menschen zu denken, die von Afrika nach Europa wollen. Das Flüchtlings-Boot am Wittenberger Schwanenteich, ein Überbleibsel des Reformationsjubiläumsjahres, könne ein Signal sein, um sich darüber zu verständigen, „wie wir helfen können, damit nicht alle kommen“. Und auch Daniela di Dio (SPD), Leiterin der angesprochenen Ganztagsschule „Rosa Luxemburg“ meldete sich zu Wort: „Da sind Menschen in Not gekommen, keine so genannten Flüchtlinge. Für mich ist das ein Mahnmal. Das muss stehen bleiben.“ (mz)