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Schlosskirche in Wittenberg Schlosskirche in Wittenberg: Weben für die Ewigkeit

Von Irina Steinmann 15.07.2016, 11:55
Ihr Werk: Sabine Bretschneider und einer der vier Gobelins, die als Antependien den Altar schmücken.
Ihr Werk: Sabine Bretschneider und einer der vier Gobelins, die als Antependien den Altar schmücken. André Dix

Wittenberg - Die an Kunstschätzen reiche Schlosskirche hat im Zuge ihrer Sanierung nun auch neue Antependien bekommen. Geschaffen hat die Altarbehänge in den wechselnden Farben des Kirchenjahres die Textilkünstlerin Sabine Bretschneider. Die auf die Ausstattung von Sakralbauten spezialisierte Magdeburgerin war von einer eigens gebildeten Kommission aus den Reihen der Schlosskirchengemeinde ausgewählt worden.

Zeugnis unserer Zeit

Überzeugt hätten das Gremium Bretschneiders Entwürfe, weil die Gestaltung „viele Deutungsmöglichkeiten“ zulasse, sagte Christiane Treu vom Gemeindekirchenrat; man wollte also weder Figürliches noch Schrift. Zudem seien die vier Antependien in den Kirchenfarben Violett, Weiß, Rot und Grün „sehr stimmig“, was die Einbeziehung des Raumes, also insbesondere des reich verzierten Umfeldes, angehe. Dem habe man ein „Zeugnis aus unserer Zeit“ hinzufügen wollen, so die stellvertretende Direktorin des Predigerseminars Gabriele Metzner, wie es auch die neue Verbindungstür zwischen Schloss und Schlosskirche, ein Werk des Künstlers Marco Flierl, eines sei.

Für Sabine Bretschneider war der Auftrag, die Schlosskirche zu Wittenberg auszustatten, „na klar“, ein besonderer. Es sei „das Beste, was ich bisher machen durfte“, sagt Bretschneider, die sich schon mit so einigen Gotteshäusern befasst hat. Wichtig sei freilich, dass „Paramente“ (das ist der Oberbegriff für Kirchentextilien, zu denen auch die Altarbehänge gehören) „sich einordnen“ ins Umfeld. Dies zu erreichen, war nicht ganz einfach. Als Sabine Bretschneider zu den ersten Inaugenscheinnahmen nach Wittenberg reiste, war die Schlosskirche schließlich noch eine einzige Baustelle und vom Umfeld so gut wie nichts zu sehen. Bretschneider musste also zusätzlich auf Fotos und Karten zurückgreifen. Herausgekommen sind vier 1,08 Zentimeter breite und einen Meter lange Stücke aus Schurwolle (Schuss) und Leinen (Kette). Die Größe dieser Gobelins, die in rund einjähriger Arbeit auf ihrem Webstuhl in Magdeburg entstanden, ist dabei nicht für alle Kirchen genormt sondern bemisst sich, auf Basis des Goldenen Schnitts, nach der des Altars.

Das Antependium, das an diesem Donnerstag als erstes bereits am Altar hängt, hat die Farbe Grün und kennzeichnet damit, wenn man so will, ein Stück kirchlichen Alltags insbesondere im Sommerhalbjahr (siehe „Vier Farben“). Traditionell wurden dafür etwa gerne Ähren verwendet, bei Bretschneider sind es Rauten, die entfernt durchaus an Pflanzen erinnern, aber als Muster, mit den Rauten und mit senkrechten Linien, auch den Hintergrund des Altars aufgreifen. Da fügt sich etwas zusammen, wie es, je anders, auch bei den übrigen drei Antependien der Fall ist. Da ist es dann letztlich sehr sekundär, wenn die Absicht der Künstlerin und die Deutung des Betrachters nicht übereinstimmen: Ein Schiff?, fragt das Kind - nein, eine Sonne, antwortet die Künstlerin etwa beim Betrachten des weißen Gobelins. Aber im Grunde, sagt sie und hält damit den Raum der Fantasie offen, sei eine Beschreibung des eigenen Werkes „nicht im Sinne des Schöpfers“.

In Kürze wird Sabine Bretschneider zusätzlich zum kirchlichen Standard-Quartett übrigens noch einen fünften Gobelin in die Schlosskirche liefern: Ein solches Antependium in der Kirchenfarbe Rosa haben nur wenige Gemeinden - ja, „ein kleiner Luxus“, sagt Christiane Treu, „i-Tüpfelchen“, nennt es die Künstlerin. Der rosafarbene Gobelin wird an nur zwei Tagen zum Einsatz kommen, am vierten Adventssonntag (Gaudete) und am vierten Passionssonntag (Laetare).

Spenderin aus den USA

Der Schlosskirchengemeinde ist die Ankunft der Antependien ein eigenes Gottesdienstthema wert, der 17. Juli wird ganz in deren Zeichen stehen. Dann werden, was sonst nie passiert, alle vier Gobelins auf einmal zu sehen sein. Auf dem Altar liegt freilich allein der jahreszeitlich korrekte grüne. Und dann wird man sicher auch an die freundliche Spenderin erinnern, die der Schlosskirche die Textilkunstwerke ermöglicht hat: Der fünfstellige Euro-Betrag stammt aus dem Nachlass einer alten Dame. Der Amerikanerin Martha Schuett lag die Schlosskirche offenbar besonders am Herzen.

(mz)