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Reformationsjubiläum in Zahna Reformationsjubiläum in Zahna: Gemeinde erinnert an "Hexe"Agnisa

14.08.2014, 12:11
Im 17. Jahrhundert wurden auch in Mitteldeutschland Hexen verbrannt.
Im 17. Jahrhundert wurden auch in Mitteldeutschland Hexen verbrannt. krimmer Lizenz

zahna/MZ/cni - Wohl bis zu 60.000 Menschen wurden in der Frühen Neuzeit in Europa Opfer der Hexenverfolgung. Fast 80 Prozent waren Frauen, darunter die Bäuerin Agnisa aus Bülzig. Am 17. August nehmen Pfarrer Matthias Schollmeyer und die Gemeinde Agnisas Geschichte und die des Zahnaer Pfarrers Thomas Flietz bei einem Gottesdienst in den Blick. Er steht unter der Überschrift „Musik für eine arme Frau“ und beginnt um 10 Uhr in der Kirche St. Marien in Zahna.

„Mit starken Ambitionen“

Seinen Überlegungen voran stellt Schollmeyer Zeilen aus einem Schlager, in dem es heißt: „Wir wollen Freunde sein fürs ganze Leben / Wie schön das Leben für uns dann fällt“. Freunde, so der Theologe, sind Agnisa und Flietz am Ende sicher nicht geworden. Denn die Frau kam auf den Scheiterhaufen, nachdem sie am 18. August 1637 in Wittenberg wegen Zauberei zum Feuertod verurteilt worden war. Von dem, der sie ausgeliefert hatte, Flietz nämlich, wisse man fast nichts. Visitationsakten beschreiben ihn Schollmeyer zufolge als einen gelehrten Mann „mit starken Ambitionen der Lehre Luthers gegenüber“.

Flietz’ Amtszeit in Bülzig dauerte von 1602 bis 1637 und in sein letztes Dienstjahr fiel der Prozess gegen Agnisa. Diese habe schon angesichts der Folterinstrumente alles gestanden, was man ihr vorgeworfen hatte und gab zu Protokoll, „was tausende andere Frauen ebenfalls ausgesagt haben, nachdem es ihnen vorgesprochen und im kollektiven Unbewussten als Urangst versenkt worden ist“. Etwa, dass sie bestimmten Leuten habe schaden wollen, auch Flietz. Und der, so Schollmeyer, sei nun in den Gerichtsakten bis in alle Ewigkeit als Denunziant vermerkt.

Scheiterhaufen der Gegenwart

Die Akten gebe es noch. Der Diplomhistoriker Hans Jochen Seidel aus Wittenberg habe den alten Text transkribiert. Schollmeyer: „Wie andere in diesen Jahren vor dem Reformationsjubiläum ebenfalls befragte Kirchengemeinden, meinen auch wir, es ist nicht falsch, sich an diesen unglaublichen Unsinn zu erinnern, der damals Sinn gewesen sein soll: Menschen bei lebendigem Leib zu verbrennen, weil sie mit dem Teufel im Bunde gewesen sein sollen.“ Dies sei heller Wahnsinn, der Vorwurf indes so veraltet nicht. „In unseren Tagen“, so Schollmeyer, „wird der Teufelsanbeter-Vorwurf zum Beispiel den Jesiden gemacht - von sunnitischen Isis-Kämpfern.“ Man darf dies gewiss als Hinweis auf die Scheiterhaufen der Gegenwart verstehen.