Reformationsjubiläum in Wittenberg Reformationsjubiläum in Wittenberg: 2017 wie steht's?

wittenberg - Die Weltzeitkugel ist weg zur Wartung, das Cranach-Jahr schreitet voran (vorerst weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit), der Luthergarten wächst - und keine zwei Jahre mehr trennen die Lutherstadt von 2017, dem Reformationsjubiläum. Die Welt schaut auf Wittenberg. Tut sie das?
Mannigfach sind die Gremien, die sich seit vielen Jahren mit dem Thema befassen: was die Lutherdekade und ihr Höhepunkt 2017 bedeuten (sollen) für die Stadt, das Land, Mitteldeutschland, die Bundesrepublik, Europa und ja, die Welt. Zwei Geschäftsstellen, ein Verein, ein Forum und und und - „von Gremien umzingelt“ fühlt sich etwa Stefan Zowislo, er ist der Leiter der staatlichen Geschäftsstelle 2017 mit Sitz in Wittenberg und zuständig fürs große Ganze.
Am Freitag ist Zowislo einer von rund einem Dutzend Teilnehmern an der Veranstaltung „Ein Ereignis von Weltrang - Zum Stand der Vorbereitungen für das Reformationsjubiläum 2017“ im Wittenberger Alten Rathaus. Eingeladen hat Arne Lietz (SPD), vormals Reformationsbeauftragter des Oberbürgermeisters, inzwischen Mitglied des Europaparlaments. Zwei Bundestagsabgeordnete sind seiner Einladung gefolgt: der Vorsitzende des Kulturausschusses Siegmund Ehrmann (SPD) und Christian Hirte (CDU), Mitglied im Haushaltsausschuss. Der Bundestag gilt als wichtiger Mitspieler bei der Vorbereitung von 2017 in Wittenberg und andernorts in Deutschland. „Dass der Bundestag sich überhaupt engagiert, ist gar nicht so normal“, erinnert Hirte, Wahlkreis mit Wartburg im Zentrum, an die Kulturhoheit der Länder. In zwei so genannten Bundestagsanträgen hatten sich Abgeordnete aus dem Kulturausschuss aber schon sehr früh und parteiübergreifend für die große Sache eingesetzt, inzwischen, das unterstreicht auch Ehrmann, muss man da im Bundestag niemanden mehr überzeugen.
Allerdings, und das ist wohl auch das Ergebnis der kleinen zweistündigen Runde im Historischen Bürgermeisterzimmer des Alten Rathauses, ist noch eine Menge zu tun, damit 2017 „kein Rohrkrepierer“ wird, wie es der Sozialdemokrat ansonsten sehr friedlich formuliert. Voraussichtlich im Herbst werde es daher noch eine Anhörung im Bundestag geben, verweist Ehrmann auf entsprechende parteiübergreifende Bemühungen. „Baulich ist das meiste auf den Weg gebracht“, sagt Hirte, er betont dabei das Wort „baulich“. Die große Aufgabe wird jetzt sein, eine entsprechende „Stimmung zu entwickeln“, wie es Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD) formuliert. Der Begriff Stimmung wird noch mehr als einmal die Runde machen auf der Pressekonferenz, die dann doch ein wenig länger dauert als das dafür vorgesehene karge Viertelstündchen. Man kann es auch so formulieren wie Gastgeber Lietz: „Welche Potenziale ergeben sich aus dem, was bisher geschaffen wurde?“ Was packt man also rein in die hübsch sanierten oder noch zu sanierenden Steinhaufen? Noch ist der zündende Funke nicht in Sicht, wie sich vermitteln lässt, dass 2017, wie Sozialdemokrat Ehrmann und Christdemokrat Hirte konstatieren, weit hinausweist über theologische Fragen, vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Sache ist/sein soll. „Das ist kein Lutherfestival“, flapst Ehrmann, Hirte verweist auf neue Herausforderungen, den Dialog mit dem Islam, die Veränderung der Gesellschaft durch Zuwanderung, alles Dinge, die sich behandeln ließen unter dem großen Schirm von 2017. Und, nicht wahr?, den Folgejahren, denn nach dem Thesenanschlag 1517 zu Wittenberg geht es andernorts ja erst richtig los mit der Reformation. „Nachhaltigkeit“, wie sie Oberbürgermeister Naumann als wichtig ins Spiel bringt, meint nicht nur die Weiternutzung von Gebäuden nach dem Sommer der Reformation. Und dann ist da ja noch das Europäische Jahr des Kulturerbes 2018, wo die Reformation laut Lietz ebenfalls eine Rolle spielen könnte.
"Es kommt gerade erst Fahrt auf"
Verstärkt werden sollen landauf, landab und auch darüber hinaus die Werbemaßnahmen. Die Idee, vor dem Europaparlament in Brüssel 500, nein, nicht Lutherzwerge, sondern Reformatoren unterschiedlicher Couleur aufzustellen (ja, ihr lieben Schweizer, auch Calvin, auch Zwingli!) aus dem bewährten Hause Hörl, ist da ein besonders anschauliches Beispiel; rund 130 000 Euro würde der von Arne Lietz ins Spiel gebrachte Spaß im Zentrum Europas kosten. Mal schauen, was daraus wird.
„In den Medien“, entkräftet Stefan Kempf Befürchtungen, aus 2017 wäre bereits „die Luft raus“, „kommt gerade erst Fahrt auf.“ Kempf ist selbst Teil der Medien, als 2017-Verantwortlicher bei der Deutschen Welle beackern er und Kollegen das Thema Reformationsgedenken bis runter nach Namibia, einst deutsche Kolonie.
Bevor sich der kleine „Thinktank“ (Naumann) für 2017 sich dann an „Wittenberger Wildsuppe“, „Fenchelsuppe mit Lachs“ und Schnittchen laben darf, fällt auf, wer diesmal nicht dabei war - die Kirchen. Krankheits- und Termingründe führt Lietz ins Feld für die Abwesenheit der 2017-Geschäftsstelle der EKD und des Vereins „Reformationsjubiläum 2017“. Stefan Zowislo reagiert erst etwas patzig, als er nach der Zusammenarbeit mit der EKD-Geschäftsstelle gefragt wird. Die Aufgaben, sagt er dann konzilianter, hätten sich dort etwas verschoben - in Richtung des Vereins 2017. (mz)