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Bahnstreik Ratlos am Bahnhof in Wittenberg

Der Streik der Lokführer lässt massenhaft Züge ausfallen. Reisende stranden und wissen nicht, wie sie weiterkommen sollen. Auch andere spüren Konsequenzen.

Von Marcel Duclaud Aktualisiert: 24.08.2021, 10:46
Die Anzeigetafel im Wittenberger Reisezentrum macht wenig Hoffnung - am Montag fielen die Züge reihenweise aus.
Die Anzeigetafel im Wittenberger Reisezentrum macht wenig Hoffnung - am Montag fielen die Züge reihenweise aus. (Foto: Duclaud)

Wittenberg - Am späten Montagvormittag geht nicht mehr viel am Wittenberger Hauptbahnhof. Es herrscht ungewohnte Stille, keine Durchsagen, keine ein- oder ausfahrenden Züge, kaum Menschen. Der Streik, zu dem die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) zum zweiten Mal in diesem Monat aufgerufen hat, zeigt Wirkung. Irgendwann gegen 9 Uhr soll mal ein Zug gekommen sein, heißt es. Seither ruht der Bahnverkehr in Wittenberg wieder.

Die Anzeigetafel im Reisezentrum zeigt das Dilemma, das deutschlandweit gerade sehr viele Menschen ausbremst - nicht zuletzt Urlaubsrückkehrer. Hamburg-Altona - fällt aus. Stralsund - fällt aus. München - fällt aus. Dessau - fällt aus. Betroffen sind der Regional- und der Fernverkehr, außerdem noch der Güterverkehr. Wenn Lokführer streiken für bessere Bezahlung und 600 Euro Corona-Prämie, dann ist das offenkundig deutlich spürbar.

Katja Ziem sieht gar nicht glücklich aus. Sie sitzt neben ihrem Vater im schicken Reisezentrum des Hauptbahnhofs und ist ratlos. Ihr vor Monaten gebuchter Zug nach Hamburg fährt nicht. Wann eine Verbindung möglich ist, sie weiß es schlicht nicht. Im Internet, bei der telefonischen Auskunft - unterschiedliche Angaben: „Ich habe mehrfach verschiedene Informationen bekommen“, ärgert sich die Frau, die nach Schleswig-Holstein möchte: „Ich muss doch zur Arbeit.“ Sie hat ihre in Dessau lebende Mutter zum Geburtstag besucht, will jetzt zurück und blickt hoffnungsvoll auf die Anzeigetafel. Nur, da tut sich nichts.

Kann die versetzte Bahnkundin die Arbeitsniederlegung verstehen? „Im Moment eher nicht“, bemerkt die Schleswig-Holsteinerin. Grundsätzlich seien Streiks sicher in Ordnung, aber in der konkreten, noch von der Corona-Krise geprägten Situation fehlt ihr das Verständnis.

Nichts geht mehr - Züge sind derzeit am Bahnhof Mangelware.
Nichts geht mehr - Züge sind derzeit am Bahnhof Mangelware.
(Foto: Duclaud)

Das sieht eine junge Frau, die gerade ins Reisezentrum kommt, ganz ähnlich. „Momentan finde ich das ziemlich blöd. Grundsätzlich aber sind Streiks natürlich nichts Schlechtes.“ Auch sie ist gerade desorientiert, war in Dabrun zu Besuch und will eigentlich nach Rosenheim fahren. Der ICE nach München fällt aus, wann wieder einer fährt? Achselzucken. „Zur Not“, tröstet ihr Begleiter, „hole ich dich in einigen Stunden hier wieder ab.“

Unterdessen sind vom Streik der GDL, der bis Mittwoch dauern soll, nicht nur Bahnreisende betroffen. Kerstin Manke leidet ebenfalls, ihr fehlt die Kundschaft. Die Filialleiterin des Bahnhofsshops, in dem unter anderem die neuesten Zeitungen angeboten werden, wartet auf Käufer, eher vergebens. „Wir spüren das ganz deutlich“, spricht sie über Einbußen durch den Streik. Geöffnet bleibe der Laden trotzdem, weil ja etwa auch Wittenberger zur Kundschaft gehören. Nur denken die, der Shop sei geschlossen.

Sie freut sich immerhin, dass das Chaos diesmal weitgehend ausgeblieben ist, zumindest in Wittenberg. Die Gewerkschaft hat den Ausstand rechtzeitig angekündigt, die Reisenden konnten sich auf die massenhaft ausfallenden Züge besser einstellen.

Relativ ungerührt lässt derweil die Taxi-Fahrer am Bahnhof der Lokführer-Streik. Klar, es gebe nun weniger Fahrten, dafür komme aber nun bisweilen die eine oder andere weite Tour hinzu, wenn in Wittenberg gestrandete Bahnkunden die Geduld verlieren. Bis Berlin zum Beispiel. „Meine Fahrgäste wollten versuchen“, erzählt einer der Fahrer am Montag, „sich das Geld für die Tour von der Deutschen Bahn zurückzuholen. Aber das dürfte wohl nicht geklappt haben.“ (mz)