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Premiere  Premiere : Der gute Mensch

Von Stefanie Hommers 26.02.2018, 17:11
Wang (Paul Damm) und die drei Götter (Josephine Göttert, Henrike Mosch und Sophia Schreinert).
Wang (Paul Damm) und die drei Götter (Josephine Göttert, Henrike Mosch und Sophia Schreinert). Klitzsch

Wittenberg - Schon im Treppenhaus des Lucas-Cranach-Gymnasiums werden die Zuschauer eingestimmt auf das, was auf sie zukommt. Obdachlose sitzen am Boden. Zerlumpt, bettelnd und fordernd begegnen sie den Gästen, die festlich gekleidet vorbeiströmen, um in der Aula der Schule eine Theateraufführung zu genießen .

Ein sinnfälliger Kontrast, der Bertolt Brecht wohl gefallen hätte. Eines seiner bekanntesten Werke steht am Freitagabend auf dem Programm „Der gute Mensch von Sezuan“.

Schon mit dem szenischen Einstieg im Treppenhaus machen die Mitglieder der Theater-AG unter Leitung von Claudia Schwiefert-Damm deutlich: Das zwischen 1938 und 1940 entstandene und 1943 erstmals aufgeführte Stück ist immer noch höchst aktuell. Der Konflikt zwischen Moral und Ökonomie hat im 21. Jahrhundert nichts von seiner Brisanz verloren; zwischen göttlichen Geboten und weltlichen Sphären klaffen immer noch und immer wieder tiefe Gräben.

Das junge Ensemble versteht es eindrucksvoll, dies zu vermitteln.Ü ber drei Stunden wird die Geschichte von Shen Te und ihrem Alter Ego Shui Ta erzählt, und über die gesamte Zeitspanne wird die Spannung aufrechterhalten.

Dass ist dem Engagement der gesamten Truppe zu verdanken, allen voran indes Rosalie Scholz, die die Herausforderungen der Doppelrolle Shen Te/Shiu Ta bravourös meistert. Als sanfter „guter Engel der Vorstadt“ überzeugt sie ebenso, wie als ihr hartherziger Vetter und unbarmherziger Geschäftsmann , der das Überleben beider sichert, die doch eins sind.

Shin Te ist eine junge Prostituierte, die als einzige weit und breit drei Götter (Josephine Göttert, Henrike Mosch, Sophia Schreinert) auf der Suche nach einem guten Menschen beherbergt. Zum Dank erhält sie von ihnen Geld, schafft sich mit einem Tabakladen eine neue Existenz und scheitert daran, zu überleben und zugleich gut zu sein.

Denn ihr bescheidener Wohlstand ruft allerlei Arme auf den Plan, die ihren Anteil fordern, auch einen Liebhaber (Sebastian Suthau), der mehr ihr Geld im Sinn hat, als Gefühle für sie hegt. Indem sie in die Rolle ihres eigenen Vetters Shui Ta schlüpft, vermag sie wirtschaftlich notwendige, doch moralisch fragwürdige Entscheidungen zu treffen.

Denn die Götter halten sich fern von den Mühen der Ebene („In das Wirtschaftliche können wir uns nicht einmischen“). Am Ende offenbart Shen Te sich, was daraus folgt, bleibt offen und dem Publikum überlassen.

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen“, bekennt der Wasserträger Wang (Paul Damm) in einem ergreifend vorgebrachten Epilog. „Der einzige Ausweg wär aus diesem Ungemach: Sie selber dächten auf der Stelle nach; auf welche Weis' dem guten Menschen man, zu einem guten Ende helfen kann. Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss! Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!“ In der voll besetzten Aula ist es einen Moment lang ganz still, dann bricht der Applaus los.

Mitschüler, Eltern und Lehrer klatschen ebenso wie die Schulleiterin des Luther-Menlanchthon-Gymnasiums Anja Aichinger, Bürgermeister Jochen Kirchner und der frühere Oberbürgermeister Eckhardt Naumann. Auch ehemalige Schüler wie Lukas Schönfeld sind mit von der Partie „Ich bin megabegeistert“, bekennt der Student, einst selbst Mitglied der Theater-AG. Eine ganze Palette von Talenten sei inzwischen nachgewachsen, freut er sich und bekennt, dass es ihn stolz macht, sagen zu können: „Da komme ich her.“

Die beiden nächsten Aufführungen des Theaterstücks finden am kommenden Freitag, den 2. März in der Aula des Lucas-Cranach-Gymnasiums sowie am Freitag, den 16. März im Malsaal der Cranachstiftung in Wittenberg statt. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 18.30 Uhr.

(mz)