Possierlicher Chaot Possierlicher Chaot: Wie Waschbär Pepito das Leben seiner Retter auf den Kopf stellt

Wittenberg - Pepito sollte eigentlich Winterschlaf halten. Nur interessiert das den Waschbären gerade überhaupt nicht. Alles ist spannend: Der Mülleimer, die Schränke, besonders die Weintrauben, die Frauchen fallen lässt. Alles wird umgedreht, angefasst - und wenn es gut riecht oder auch nur funkelt, beißt Pepito gerne einmal in etwas rein. Der pelzige Tausendsassa ist der vielleicht einzige zahme Waschbär im Kreis Wittenberg. Wobei „zahm“ relativ ist, wie sich bald zeigen wird.
Pepito ist ein Findelkind. Im Juni hörten Passanten ein Rascheln aus einem Papierkorb in der Nähe des Obi-Baumarktes in Wittenberg.
Vor der Flinte gerettet
Nach einigem Hin und Her rief man einen Jäger. Der sollte dem wenige Wochen alten Tier den Gar ausmachen. Besagter Jäger allerdings ist ein Freund von Bäcker Alexander Dorn aus Coswig, der in Wittenberg mehrere Geschäfte unterhält. Und Dorn hatte bereits einmal versucht, einen Waschbären als Haustier zu halten.
„Das hat allerdings überhaupt nicht funktioniert“, sagt der Bäcker. Das Wildtier war aggressiv, kaum zu bändigen. Am Ende mussten sie es in die Freiheit entlassen. Pepito indes war noch jung und machte keine Anstalten, angriffslustig zu sein. Und als Dorn gefragt wurde, nahmen er und seine Lebensgefährtin Miriam Winter den jungen Waschbären auf – ein zweiter Versuch in Sachen Waschbär und eine Chance für das Tier.
Heute ist Pepito zwar neugierig und sorgt für eine Menge Chaos, hat sich aber auch in das Familienleben integriert. Die beiden Hunde der Familie haben ihn nicht unbedingt lieben, aber zumindest dulden gelernt.
„Sie haben sich damit abgefunden, dass er mit zur Familie gehört“, sagt Miriam Winter. Pepito wird gemeinsam mit den beiden Hunden Gassi geführt, hat im Haus ein eigenes Zimmer und in einer umgebauten Doppelgarage ein eigenes Gehege. „Das Gehege muss man beim Veterinäramt nachweisen, damit man einen Waschbären halten darf“, sagt Dorn. Geimpft, kastriert und entwurmt ist der Waschbär auch – zu seinen größten Fans gehört seitdem die Belegschaft der Tierklinik in Wittenberg.
Denn zahme Waschbären gehören auch dort nicht zum Standard. Waschbären fressen in der freien Natur übrigens so gut wie alles. Probieren will Pepito auch so gut wie alles, was zwischen seine Kiefer passt – auch vor den Weihnachtskugeln in der Redaktionsküche macht er nicht Halt. Aber eigentlich zieht er alles vor, was süß ist.
Weintrauben, Mangos und Apfelmus oder aber sämtliche Ei-Speisen und Nüsse. Was er hingegen gar nicht mag – da ist er deutlich wählerischer als seine Artgenossen in Freiheit – ist alles, was sauer ist.
Pepito wiegt inzwischen zehn Kilo, obwohl er noch nicht ausgewachsen ist. „In der freien Natur werden Waschbären nur etwa zwei Jahre alt, weil sie oft an Würmern und Krankheiten sterben“, sagt Dorn. Bei in Gefangenschaft lebenden Waschbären könne sich die Lebensspanne aber leicht verzehnfachen.
„Wir haben uns also darauf eingestellt, dass er noch 19 Jahre bei uns bleibt“, meint er. Denn in die Freiheit könne man ihn wohl nicht wieder entlassen. Kastrierte Waschbären könnten bei ihren Artgenossen als Bedrohung wahrgenommen werden. Außerdem hat er nur das Leben im Haus kennengelernt.
Ein einfacher Zeitgenosse ist Pepito nicht immer. Waschbären haben mit ihren vier Fingern andere Möglichkeiten als Hunde und Katzen. Außerdem ist er ausgesprochen intelligent. Er kann Schlüssel umdrehen, ist schon dabei gesehen worden, wie er eine Kiste durch den Raum schob, darauf stieg und die Türklinke betätigte.
Dass er eine Schranktür öffnet und hinter sich schließt, gehört zu seinen üblichen Tricks. Auch Schubladen sind vor ihm nicht sicher. Dafür hat er schon nach wenigen Wochen gelernt, das Katzenklo zu benutzen.
Gehege soll größer werden
Sein hüpfender Gang und seine rundliche Gestalt lassen außerdem nicht auf das Temperament schließen, das Pepito inne hat.
„Wenn er sich in etwas verbissen hat, darf man es ihm nicht wegnehmen“, sagt Dorn. Sonst rastet der sonst so possierliche Waschbär schnell einmal aus. Und seine Zähne und Krallen sind spitz wie zahlreiche Kratzer auf Frauchen Miriam Winters Arm zeigen.
Hin und wieder wird die Familie mit dem ungewöhnlichen Haustier auch etwas schräg angeschaut. Eine Zoohandlung habe sie panisch des Ladens verwiesen – aus Angst, dass Pepito ansteckende Krankheiten habe. Dennoch: „Er gehört jetzt mit dazu“, finden Frau Winter und Herr Dorn. Deswegen will Herrchen Pepitos Gehege im kommenden Jahr noch weiter ausbauen. Da verbringt Pepito die Zeit, in der seine menschlichen Mitbewohner zur Arbeit gehen.
Und: Wenn Pepito alleine ist, dann macht er auch seinen Winterschlaf. Nur beim Besuch in der Redaktion ist an solche Erholung einfach nicht zu denken. (mz)
