Cannabisbauer vor Gericht Platzt der Prozess um die Plantage in Rackith?
In einer Berufungsverhandlung geht der Verteidiger davon aus, dass der Zufallsfund einer Cannabis-Plantage in Rackith kein Beweis sein kann. Was das für den Angeklagten bedeuten könnte.

Dessau/Rackith - Das dürfte selbst erfahrenen Polizisten nicht jeden Tag passieren: Sie waren erschienen, um einen offenen Haftbefehl gegen eine Person zu vollstrecken und stoßen bei der Suche nach dem Mann auf eine üppig bestückte und professionell ausgerüstete Cannabis-Plantage. So ging es den Beamten, als sie am 29. Oktober 2019 die metallene Tür zum Saal eines früheren Gasthofes in Rackith aufbrachen, weil sie den Gesuchten dahinter verborgen wähnten.
Statt des französischen Staatsbürgers wurde an dem Tag ein heute 27-jähriger Potsdamer verhaftet, der sich aktuell vor der 7. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau verantworten muss. Der von Staatsanwältin Sabine Monnet erhobene Vorwurf: unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen.
Es ist ein Berufungsverfahren, das unter dem Vorsitz von Siegrun Baumgarten geführt wird. Am 9. April vorigen Jahres war der von Alexander Funck verteidigte Angeklagte vom Amtsgericht Wittenberg zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Mindestens zwei weitere Tage
Funck hatte im Vorfeld versucht, eine Verständigung zu erzielen. Allerdings kam von Seiten der Anklagebehörde nicht in Betracht, es im Ergebnis bei einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe zu belassen. Im Ergebnis muss erneut eine sehr umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt werden.
Auch wegen des urlaubsbedingten Fehlens von Zeugen sind am 9. und 16. August Fortsetzungstermine anberaumt worden. Offen ist, ob diese Verhandlungstage ausreichen. Die Vorsitzende zog zum Beispiel in Betracht, zusätzlich Zeugen zu laden, die in der unmittelbaren Nachbarschaft des Ex-Gasthauses wohnen.
Aus der Warte des Verteidigers wird unbedingt zu prüfen sein, ob die Durchsuchung damals zulässig war und ob die in dem Rahmen gewonnenen Beweisergebnisse überhaupt verwertet werden dürfen. Wie Alexander Funck erklärte sei die Durchsuchung gegen den Willen seines Mandanten erfolgt. „Nach Aktenlage“ sei unterblieben, vor dem Öffnen der Tür Rücksprache mit einem Richter oder Staatsanwalt zu nehmen.
„Gegen den hier Angeklagten war kein Anfangsverdacht vorhanden. Es gab keine richterliche Anordnung. Die polizeiliche Maßnahme war rechtswidrig. Es wurde gegen die Unverletzlichkeit des Wohnraums verstoßen.“ Der Anwalt bestritt, dass Gefahr in Verzug gewesen sei.
Das Gebäude sei von ausreichend Polizisten umstellt worden, um eine mögliche Flucht des gesuchten Franzosen zu vereiteln. Insofern sei ausreichend Zeit gewesen, über das weitere Vorgehen eine Entscheidung herbeiführen zu lassen. „Ein Richter hätte problemlos erreicht werden können“, fand Funck. Der vorliegende Haftbefehl habe nicht zu einer Durchsuchung ermächtigt. In den Räumen des Gasthofes sei kein einziges Beweismittel gesichert worden, das direkt auf den ursprünglich gesuchten Mann hinwies.
Ein Polizist hatte gesagt, die Tür sei von ihm mit der Intention aufgebrochen worden, um die Person zu ergreifen, von der man vermutete, dass sie sich dahinter versteckt hielt. Die Berechtigung zum Brecheisen zu greifen, habe er aus dem Haftbefehl abgeleitet. „Aber die Mutmaßungen sind nicht konkretisiert worden“, gab der Verteidiger zu bedenken.
Über zwei Kilogramm
Die Staatsanwaltschaft geht derweil davon aus, dass die mit Lüftern, Lampen und Temperaturfühlern ausgestattete Indoor-Plantage vom Angeklagten bereits ab 2017 betrieben wurde. Die geernteten Cannabis-Pflanzen seien für den Verkauf bestimmt gewesen. Der Wirkstoff-Gehalt der gesicherten Menge lag bei 2.200 Gramm. Die nicht geringe Menge beginnt ab einem Gewicht von 7,5 Gramm.
Hierzu vertrat Alexander Funck die Ansicht, dass die Annahme eines minderschweren Falles auch nicht abgewiesen werden könne, wenn die Untergrenze der nicht geringen Menge um ein Vielfaches überschritten werde. Es existiere nichts - weder zu Ankäufen oder Verkäufen noch zu Kontaktpersonen -, was den 27-Jährigen belasten würde.
Hinweise aus privatem Umfeld
Zur Aktion an dem einstigen Gasthof war es gekommen, weil ein Polizist aus seinem privaten Umfeld Hinweise erhalten hatte. Von Nachbarn war berichtet worden, dass sich im Objekt regelmäßig zwei Personen aufhalten würden. Deren Hunde, die auf dem Hof herumliefen, wurden als bedrohlich empfunden, da sie kläffend an die Einfriedung sprangen, wenn zum Beispiel Schulkinder an der nahen Bushaltestelle standen.
Im Zuge einer Anfrage beim Kemberger Einwohnermeldeamt stellte sich dann heraus, dass der Name am Klingelschild nicht mit dem Eigentümer der Immobilie identisch war. Die nächste Überprüfung führte schließlich zu der Erkenntnis, dass der Besitzer per Haftbefehl gesucht wurde. (mz)
