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Piesteritzer Hof Piesteritzer Hof: Nach Silvester ist Schluss

Von Marcel Duclaud 06.12.2016, 17:08
Im neuen Jahr geht erstmal das Licht aus. Für den Piesteritzer Hof wird ein neuer Betreiber gesucht.
Im neuen Jahr geht erstmal das Licht aus. Für den Piesteritzer Hof wird ein neuer Betreiber gesucht. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Silvester wird noch eine Party geschmissen - dann gehen die Lichter aus. Zunächst zumindest. Der Pächter des Piesteritzer Hofes, eines Hauses, mit dem sich bei zahlreichen vor allem älteren Wittenbergern fröhliche Erinnerungen verbinden, wirft das Handtuch.

Ob und wann das traditionsreiche Gasthaus, das mit einem großen Saal ebenso aufwarten kann wie mit einer Bar und einigen Hotelzimmern, wieder öffnen wird, steht in den Sternen. Vom Eigentümer der Werkssiedlung, der Deutsche Wohnen AG, heißt es, dass „wir derzeit in Verhandlungen mit Interessenten für die Gewerbeeinheit des ehemaligen Piesteritzer Hofes“ stehen.

Das Unternehmen, schreibt Sprecher Julian Pinnig auf MZ-Anfrage, strebe an, „dass die Gewerbeeinheit in ähnlicher Nutzung weitergeführt werden kann“.

Dass der Piesteritzer Hof Potenzial habe, sagt Gerhard Leske, der langjährige Chef der vor einem Jahr abgewickelten Piesteritzer Servicegesellschaft. Das Tagesgeschäft sei indes nicht ganz einfach wegen der Entfernung vom Zentrum: „Man muss da Konzepte entwickeln.“ Aber gerade 2017 dürfte es nicht schwer sein, das Haus zu füllen. Es wäre tragisch, würde sich kein neuer Pächter finden.

Von den alten Zeiten berichtet unterdessen Reinhard Lausch, künstlerischer Mitarbeiter des einst zu den Stickstoffwerken gehörenden Kulturhauses „Wilhelm Pieck“. „Das war mal die beste Adresse in Wittenberg.“ Lausch spricht von Folklore- und Liedermacherwerkstätten, von Konzerten mit Gerhard Schöne oder Hans-Eckardt Wenzel. Keimzeit sei gleich drei Mal aufgetreten. „Da sind sehr schöne Sachen gelaufen in den 80er Jahren.“ Manche Programme, die kurz vorm Verbot standen, wurden in Piesteritz noch aufgeführt, erinnert er sich.

Vor Emilio Sorrentino hatte Dirk Teschner den Piesteritzer Hof geführt. „Es ist ein sehr großes Objekt“, sagt er. Allein die Betriebskosten müsse man erstmal wieder reinholen. Und die Zahl der Zimmer reiche nicht, um etwa Busse zu holen. Teschner spricht trotzdem von einem attraktiven Haus: „Dort ist der schönste Saal in dieser Größe in Wittenberg.“

An die zehn Jahre lang hat die Familie um Emilio Sorrentino die Geschäfte geführt. Der Italiener ist bekannt in Wittenberg, er betreibt auch die bestens gelegene „Trattoria Toscana“ am Holzmarkt mitten im Wittenberger Zentrum. Dass sich die Familie aus dem Piesteritzer Hof jetzt zurückzieht, bekümmert Sorrentino sichtlich.

„Ich bin sehr traurig“, sagt der Mann, der schon in den 1970er Jahren nach Deutschland gekommen ist. Nach schwierigem Start sei es stetig aufwärts gegangen: „Das hat sich gut entwickelt.“ Und 2017 wäre die Steigerung der Steigerung: „Wir hätten das Haus voll gehabt. Es vergeht kaum ein Tag ohne Anfragen für Veranstaltungen oder Zimmerreservierungen.“

Sie müssen allesamt abgelehnt werden, weil keiner weiß, wer wann der neue Pächter sein wird.

Emilio Sorrentino begründet die schwere Entscheidung, sich vom Piesteritzer Hof zu trennen, mit den immensen Problemen, geeignetes Personal zu finden. Am Ende musste seine Familie stets die Engpässe ausbaden. Manche Nacht sei dabei draufgegangen. Das ging an die Substanz.

„Wir sind damit überfordert“, räumt der erfahrene Gastronom unumwunden ein. „Wir haben keine Zeit mehr und seit Jahren keinen Urlaub.“ Insbesondere seiner Frau, die in der Küche steht, könne er das nicht länger zumuten.

Dass bislang nicht klar ist, wer das traditionsreiche, rundum sanierte Objekt in der namhaften Werkssiedlung übernimmt, kann Sorrentino nicht verstehen. Er selber, berichtet er, habe sich um Nachfolger gekümmert und „starke Interessenten“, darunter ein Spitzenkoch, gefunden.

Die Deutsche Wohnen wollte sich aber lieber selber kümmern. Die vielen 2017-Anfragen laufen damit ins Leere. Der, der den Piesteritzer Hof übernimmt, fängt so ziemlich bei Null an. Dass Emilio Sorrentino der Abschied nicht leicht fällt, ist nicht zu übersehen: „Ich habe das Haus gerne geführt, Freude daran gehabt und viele nette Menschen kennengelernt“, sagt er und fügt hinzu: „Ich musste so entscheiden, für meine Familie. Wir hören nicht wegen mangelnder Arbeit auf, es ist eher das Gegenteil.“

Er hofft nun, dass die Deutsche Wohnen „einen würdigen Nachfolger“ auswählt.

Das hofft auch die Stadt: „Wir bedauern es sehr, dass der Piesteritzer Hof erstmal ohne Betreiber dasteht“, sagt Sprecherin Karina Austermann. Das Haus habe einen hohen Stellenwert für die Werkssiedlung, für Piesteritz und sei natürlich gerade für 2017 wichtig. Sie kündigt an, dass die Stadt sich mit dem Konzern Deutsche Wohnen in Verbindung setzen wird, um gemeinsam eine Lösung zu suchen. (mz)