Wittenberger Handballer schafft eine Sensation Piesteritzer „Ente“ wird 80
Hans-Dieter Wendt feiert am Dienstag seinen Geburtstag im kleinen Familienkreis. Die Legende steht für die große Zeit der BSG Chemie.

Wittenberg/MZ - Er ist nicht eine, sondern die Piesteritzer Handball-Legende: Hans-Dieter Wendt. Seine Fans verpassen dem Mann wegen seines unorthodoxen Laufstils den Spitznamen „Ente“. Die Anhänger bleiben selbst in prekären Spielsituationen immer optimistisch: Die „Ente“ wird es schon richten! Wer glaubt, die Rede ist von einem Ur-Piesteritzer, der irrt sich zumindest ein bisschen. „Ich habe als Siebenjähriger in Griebo angefangen“, so Wendt, der seine Karriere auf den Sportplatz, wo jetzt die Saints Football spielen, startet.
Zum Wechsel bequatscht
„Mit 16 wurde ich dann bequatscht“, erzählt er über seinen Wechsel zur BSG Chemie. Beim neuen Verein ist er Spieler, Trainer und später Abteilungsleiter. Für die Grün-Weißen bestreitet er über 1.000 Pflichtspiele. Die Treffer hat niemand gezählt. „Ich war immer unter die Top 20 der Torschützen in meiner Liga“, erzählt er. Die Männer tragen ihre Heimspiele unter anderem in Dessau oder in Apollensdorf, in einer heute nicht mehr existenten Halle, aus. Bei den Bezirksliga-Spielen in Apollensdorf sitzen die Fans auf den Bänken direkt an der Seitenlinie. 100 Anhänger - mehr gehen nicht rein - verfolgen die Begegnungen. Eine neue Ära bricht mit der Eröffnung der Stadthalle an. Plötzlich gibt es große Spiele vor viel Publikum. 1976 wird gegen Dinamo Bukarest, damals ein Team der Weltklasse, nur 20:24 verloren. In der Saison 1979/80 gelingt der Aufstieg in die DDR-Liga. Zwei Jahre später ist die ganze große Sensation perfekt: Die Betriebssportgemeinschaft steigt in die Oberliga auf! „Es war eine schöne, eine gute Zeit“, sagt Wendt. Doch einfach ist es nicht.
„Arbeitsbeginn war für uns um 5.30 Uhr im Stickstoffwerk (SKW). Trainiert wurde mittags von 12 bis 14 Uhr. Und dann wurde weiter gearbeitet bis 18.30“, erzählt Wendt vom Alltag der Erstliga-Sportler. Wendt spielt halb rechts. „Das war nicht meine Lieblingsposition“, so der Wittenberger, der lieber halb links agiert hätte. Aber Wendt muss wie alle seine Teamkameraden ein Allrounder sein. In der Abwehr steht er wie eine unüberwindbare Wand. „Wir waren gerade mal zehn Leute. Ausruhen auf der Bank ging nur bei Zeitstrafen“, so Wendt. Und der Oberligist ist sehr gefragt. Es gibt eine Einladung zum Energiepokal nach Cottbus. Im Halbfinale gelingt ein Erfolg über Eisenach. Und im Finale brüllen in der restlos ausverkauften Halle 4.000 Zuschauer den krassen Außenseiter zum Triumph über Dynamo Berlin.
Die Hauptstädter versprechen Revanche beim Punktspiel in Wittenberg. Die Oberliga absolviert Doppelspieltage. An einem Sonntag-Vormittag wird Berlin in der Stadthalle erwartet. „Am Abend zuvor lag ich noch mit 39 Fieber im Bett“, erzählt Wendt. Die Fans jubeln, als „Ente“ aufläuft. Berlin verliert wieder. Übrigens, wer so ein Spiel erleben will, muss früh aufstehen und Stunden vor der Öffnung der Tageskasse in der Schlange anstehen. Auf der damaligen Empore der Stadthalle stehen die Menschen in Dreier-Reihen und versuchen, einen Blick auf das Parkett zu erhaschen.
Comeback als der Chef
Der Handball erlebt zu Wendezeiten noch einmal einen zweiten Frühling mit Begegnungen in der zweiten Bundesliga. Da ist Wendt nicht mehr dabei. „Ich habe mich um meine berufliche Perspektive gekümmert“, sagt der Mann, der der Technische Direktor bei SKW wird. Und er feiert auch ein Comeback bei den Grün-Weißen - ab 2010 als Abteilungsleiter, hält das Team nach dem Oberliga-Abstieg zusammen und kümmert sich um Geldgeber. „Die Wende hat dem Handball geschadet“, sagt er und will nicht missverstanden werden. Die Unterstützung von SKW zu DDR-Zeiten läuft unproblematisch. Der Sport steht im Vordergrund. Jetzt ist die Sponsorensuche einer der wichtigsten Vereinsarbeiten. „Ich ziehe den Hut voller Ehrfurcht vor den Leistungen des heutigen Abteilungsleiters Uwe Kunert und Manager Patrick Pusch“, sagt Wendt, der die aktuellen Spiele der Grün-Weißen im Live-Ticker verfolgt.
