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Orangerie Orangerie: Frischluft für die Orangen

Von ilka Hillger 23.05.2014, 17:31
Sebastian Doil ist Herr über 250 Zitrusgewächse in der Oranienbaumer Orangerie.
Sebastian Doil ist Herr über 250 Zitrusgewächse in der Oranienbaumer Orangerie. klitzsch Lizenz

ORanienbaum/MZ - Am Wochenende werden in Oranienbaum wieder Orangen um die Wette geschält. Die Stadt feiert ihr Orangenfest. Das Obst kommt aus dem Supermarkt. Doch nur ein paar hundert Meter vom Festzelt entfernt hängt es an den Bäumen. Diese Früchte sind für den Volksfestspaß allerdings tabu und auch noch unter Verschluss. Der Zitrusbestand der Oranienbaumer Orangerie steht in ebendieser und fiebert gewissermaßen dem Auszug entgegen.

"Was Älteres wird man bei uns nicht finden"

Nicht alle Kübelpflanzen haben indes das schützende Dach über sich. Ein paar Mutige wagten sich bereits aus dem Haus oder konnten sich vielmehr nicht gegen die Gärtner wehren, die sie zum Akklimatisieren an die frische Luft setzten. Sie revanchierten sich mit dem ganz plötzlichen Erschlaffen der jungen Triebe. „Das hat uns erst ein bisschen erschreckt, aber wir wussten ja, woran es lag“, erzählt Sebastian Doil von den heißen Tagen dieser Woche. Da kamen die Zitruspflanzen, die schon nach draußen durften, einfach nicht hinterher, das Wasser bis in die letzte Spitze zu pumpen. Am Freitag jedoch ist alles wieder gut. Doil, Referatsleiter für Pflanzenpflege bei der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, nimmt eine jungen Trieb in die Hand. Saftig grün ist er, Blüten stehen zwischen den Blättern und duften betörend. Der Halbstamm ist noch jung, 1996 verrät seine Bauchbinde, aus Israel kommt er. Gleich daneben erklärt ein Schild: Altbestand, wahrscheinlich Raguhn 1933. „Was Älteres wird man bei uns nicht finden“, sagt Doil.

Schuld daran ist die kalte Sophie, eine der berüchtigten Eisheiligen. Die machte das Jahr 1961 zu einem ganz schwarzen für die Oranienbaumer Orangengärtner. „Sie hat nahezu den gesamten Orangenbestand dahin gerafft. 200 Jahre alte Pflanzen, vier Meter hoch, 20 Zentimeter Stammdurchmesser“, sagt Doil. Bis er solche Dimensionen erreicht, braucht der 1933er-Orangenbaum noch Jahrzehnte. Nur kleine Nachzuchten hätten damals überlebt, weil man sie in der Orangerie ließ. „Da hat man das Unbedeutende geschützt.“ Geblieben ist neben dem winzigen Altbestand bis heute der Respekt vor den Eisheiligen. Die fürchtet der Orangeur. So nannte man einst die Gärtner einer Orangerie. „Das war der höchst angesehene Gärtnerberuf“, weiß Sebastian Doil, der somit vier Kollegen Orangeure nennt.

Für die ist am Freitag Gießtag. Nach dem Wässern von gut 200 Kübeln, die noch in der Orangerie stehen, weiß Doils Kollegin am Abend, was sie getan hat, und hat eine langen Arm von der Gießkanne. Doil zieht einen Bambusstab aus einem Kübel. Schon hat der 30-Jährige wieder einen Tipp für den Hobbygärtner parat. „Der Stab zeigt auch bei trockener Oberfläche an, ob es an der Wurzel noch feucht ist“, erklärt er.

Zu Zitruspflanzen gibt es offensichtlich eine Menge Erklärungen und noch mehr Tipps und Tricks. „Sie sind der anspruchsvollste Pflanzenbestand der Kulturstiftung und eine echte Herausforderung“, findet der Referatsleiter, der vor fünf Jahren als gelernter Zierpflanzengärtner bei der Stiftung anfing und seitdem fast täglich etwas Neues über Zitronen und Orangen lernt.

1818 entstand die Orangerie

Gut 250 derartige Pflanzen stehen in Oranienbaum. Etwas mehr als die Hälfte dessen, was vor rund 250 Jahren im Park wuchs. 1753 wurden insgesamt 517 Pflanzen, davon 416 Orangen und Zitronen, sowie Lorbeer, Myrten, Zypressen und Oleander gezählt. 1818 entstand die Orangerie, eine der längsten Europas übrigens. Im Jahr 1822, so vermeldet eine Statistik, wurden 2 425 Früchte geerntet.

Auch heute ist noch alles essbar, was an den Zweigen wächst. Nicht alles aus der Zitrusfamilie ist freilich genießbar. Doil lacht und plaudert aus dem Nähkästchen, als er für einen Cocktail in Ermangelung einer Limette zur Zitronatzitrone griff. Das schmeckte, bekam ihm jedoch nicht. „Seitdem weiß ich aber, dass da nur die Schale verwendet wird.“ Das beste Zitrusfruchtprodukt ist für ihn der Limoncello. „Rund um die Likörherstellung lässt sich mit Zitrusfrüchten prima experimentieren“, schwärmt er. Dafür sollte man aber auf die Früchte aus dem Supermarkt zurückgreifen und das Obst der Oranienbaumer Pflanzen lieber hängen lassen. Denn wenn die Kübel in einigen Tagen wieder im sogenannten Parterre des Schlossparkes stehen, ist es doch gerade das Zusammenspiel von Blüten und Früchten, das das Besondere dieser Pflanzen ausmacht, die man in Oranienbaum hegt und pflegt.