New York New York New York New York: Feininger-Ausstellung findet in Dessau statt

dessau/MZ - „Midtown Manhattan Seen from New Jersey“: Die damals größte Stadt der Welt dampft pastellen vor einer bedrohlichen Kulisse aus scharfen Kontrasten. Meistens aber ist der Blick klar, konsequent klassisch. „Keep it simple“, sagte der Fotograf, einfach in höchster Perfektion.
Das Thema des 21. Kurt-Weill-Festes findet seine Illustration in Schwarz und Weiß in den Meisterhäusern Feininger und Kandinsky/Klee: Gestaffelte Wolkenkratzer, verschattete Straßenschluchten, rhythmische Schienenstränge, skelettiertes Schwarz aus Feuerleitern. Dann wieder quert die Brooklyn Bridge die Skyline von Manhattan, während der Hudson River schiffbeladen versinkt. „Andreas Feininger - New York in the 40s“ heißt die Ausstellung, die der Förderverein Meisterhäuser Dessau und das Zeppelin Museum Friedrichshafen zeigen.
Andreas Feininger, ältester Sohn von Lyonel Feininger, richtete sich 1927 eine Dunkelkammer im Eltern- sprich Meisterhaus ein, die zweite Dunkelkammer der Siedlung im Kiefernwäldchen. Die erste stand im Haus Moholy-Nagy. Eigentlich wollte Andreas Feininger Wissenschaftler werden, nun experimentierte er, mit 16 Jahren von der Schule geflogen, am Bauhaus zum Kunsttischler ausgebildet, auf dem frischen Feld der Fotografie.
Er baute ein Vergrößerungsgerät aus Sperrholz mit einem Schwenkmechanismus, welcher Perspektiven verändern konnte. Als er 1938 in Stockholm eintraf, machte ihn nicht zuletzt dieses Gerät, welches den stürzenden Linien ein Ende setzte, zu einem der gefragtesten Architekturfotografen. Sein Weg führte über Hamburg und Paris, wo er einige Zeit, Feininger hatte die Bauschule in Zerbst besucht, als Architekt bei Le Corbusier arbeitete. Am 16. Dezember 1939 traf Feininger in New York ein. Hier beginnt die Ausstellung, hier begann Feininger mühevoll Fuß zu fassen. Als freier Bildreporter dokumentierte er Unfälle, Modenschauen, Feuerwehreinsätze im Auftrag der Black Star Picture Agency für 20 Dollar die Woche. Dem Office of War Information zugestellt, fotografierte er wie im strengen Rhythmus des Fließbandes die Waffenproduktion. Sein Aufstieg begann mit dem Wechsel zum „Life“-Magazin, wo er bis 1962 blieb. Dann arbeitete er frei, fotografierte Stadtlandschaften und in Nahsicht Natur mit grafischem Interesse. Feininger starb 1999. Über 50 Bücher hat er publiziert, Schriften über Technik und Kunst der Fotografie sowie Bildbände. „Die Silhouette einer großen Stadt“ schrieb er, „mag aus der Ferne betrachtet wie das Werk eines Giganten wirken, ihre Wolkenkratzer wie riesige Grabsteine eines prähistorischen Volkes aussehen.“ Die Entfernung wahre die Proportionen und staucht vielleicht die Tiefe. Schon in Paris erwarb Feininger auf einem Flohmarkt eine 28-Inch-Linse und baute sich eine „Telekamera“. Zwei ineinander verschiebbare Holzkästen regulierten die Bildschärfe. „Umso zu sehen, wie die Kamera sieht, muss ein Fotograf seine gesamten Sinne zum Schweigen bringen“, sagte Feininger, der immer an der Technik feilte, aber sich nie auf die Technik allein verließ, sondern auf den gestaltenden Blick.
Es sind die klaren Gliederungen in fließenden Graustufen, die zur Handschrift wurden, weniger der Lärm der Straße, eher das beredte Schweigen der Giganten. Doch es gibt auch schwarze Untiefen, schlagende Schatten, verzehrenden Nebel, diffuses Gegenlicht oder wildwachsende Grabsteine auf dem Jüdischen Friedhof in Queens, Menschenmassen auf Coney Island oder Auslagen jüdischer Geschäfte; und immer wieder Fassaden, endlos vor den Himmel gestaffelt.


