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Neuer Standort Neuer Standort: Wittenberger Waldkindergarten ist umgezogen

Von Corinna Nitz 04.09.2017, 09:26
Auf geht’s! Bei angenehmem Spätsommerwetter bereiten sich die Mädchen und Jungen des Wittenberger Waldkindergartens beim Morgenkreis im neuen Domizil auf einen weiteren Streifzug durch die Natur vor.
Auf geht’s! Bei angenehmem Spätsommerwetter bereiten sich die Mädchen und Jungen des Wittenberger Waldkindergartens beim Morgenkreis im neuen Domizil auf einen weiteren Streifzug durch die Natur vor. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Ein Morgenkreis im Wittenberger Waldkindergarten unterscheidet sich von anderen Morgenkreisen. Er findet, logisch, im Freien statt. Doch davon abgesehen haben die lieben Kleinen Aufgaben: Hier wird die Lufttemperatur geprüft, dort das Wetter analysiert. Zu dieser Analyse gehört auch der kritische Blick auf die eigene Bekleidung - verbunden mit der Frage, ob man denn nun angesichts der Ergebnisse richtig angezogen ist. Wenn alles geklärt ist, Werkzeuge, Obst und Gemüse verstaut sind, kann’s schon losgehen. Der Wald ruft!

Ab in die Hängematte

Um kurz nach neun Uhr ist die kleine Gruppe aus fünf Kindern und zwei Erziehern am Freitag vergangener Woche am Stadtwald 12 a aufgebrochen. Bis Mittag werden sie unterwegs sein, mit dem spielen, was die Natur hergibt, sie werden sich mit Flora und Fauna beschäftigen, Rücksicht aufeinander nehmen... und nach einem Lunch mutmaßlich schnell tief und selig schlafen. Wer Glück hat, kann seine Mittagsruhe in einer der wenigen Hängematten unter einer Überdachung vor der Schutzhütte genießen. Alle anderen haben Isomatten im Innern der Container.

Am Stadtwald 12 a, das städtische Eckgrundstück, ist das neue Domizil der von Tina Kraatz vor drei Jahren gegründeten besonderen Kita, die bis vor kurzem mitten im Stadtwald ihren Standort hatte. Nun ist man also vom sensiblen „Außenbereich“, in dem es zwar erlaubt sei, „eine Futterkrippe für Rehe aufzustellen, aber keine Schutzhütte für Kinder“ (Kraatz), dicht an den Innenbereich herangezogen. Statt eines Bauwagens haben sie dort jetzt einen modernen Wohncontainer samt Toiletten und, das ist beinahe Luxus, Wasser- sowie Stromanschluss.

Für Kraatz selbst bedeutet der Umzug fast schon eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln, denn neuer Nachbar des Waldkindergartens zur einen Seite hin ist das Großeltern- und Elternhaus der jungen Frau. Sie sei ja praktisch im Stadtwald großgeworden, sagt sie. Und das erklärt vielleicht auch ihre Liebe zu diesem Ort.

Waldkindergartenbesucher haben Stubenkindern einiges voraus. Durch die Bewegung im Freien sind sie in der Regel abgehärteter, respektive weniger anfällig für Schnupfen & Co. Der Aufenthalt in der Natur führt dazu, dass sie sich früh schon mit Flora und Fauna beschäftigen. Und weil typischerweise auf vorgefertigtes Spielzeug verzichtet wird, wird auch die eigene Kreativität beim Bau desselben gefördert. Zudem wird Waldkindern ein ordentliches Maß an sozialer Kompetenz bescheinigt, da sie früh lernen, aufeinander Acht zu geben.

Zu den Umgangsregeln gehört nach Auskunft von Nicole Zimmermann und Markus Taday, beide ausgebildete Erzieher im Waldkindergarten Wittenberg, unter anderem immer in Sichtweite zu bleiben und nicht mit Stöcken zu rennen. Sie halten die Kinder auch dazu an, verantwortlich miteinander und mit der Natur umzugehen. Im dritten Jahr seines Bestehens hat der Waldkindergarten Wittenberg jüngst sein neues Domizil am Stadtwald 12 a bezogen. Zu den Annehmlichkeiten dort gehört beispielsweise eine Schutzhütte in Containerform (bei extrem schlechten Wetter kommen die Kinder in einer Kita in Apollensdorf unter). Sie haben auch mehrere Hochbeete, deren Erträge sie verwerten.

Ihre Ursprünge haben Waldkindergärten in den 1950er Jahren in Skandinavien. Der erste Waldkindergarten in Deutschland wurde 1993 in Flensburg eröffnet. Der Waldkindergarten Wittenberg ist einer von ganz wenigen in Sachsen-Anhalt. Am 24. September können Interessierte sich das Domizil am Stadtwald im Rahmen einer Kinderkleiderbörse anschauen und sich über das (pädagogische) Konzept informieren.

Davon abgesehen wollte sie für den eigenen Nachwuchs eine andere, eben naturnahe Betreuung. Nachdem sie vor Jahren während des Studiums in Berlin auch mal zum Thema Waldkindergarten gearbeitet hat, erschien ihr diese Kita-Form nun am geeignetsten. An den Stadtwald 12 a gezogen sind sie erst kürzlich, am 14. August. Da sei auch die „unbefristete Betriebserlaubnis vom Jugendamt ausgesprochen“ worden. Das bedeute, der von der gemeinnützigen „Sternenstaub gUG“, in der Kraatz mit zwei Mitstreitern sitzt, getragene Waldkindergarten könne jetzt ohne Zukunftsängste arbeiten.

Neu sind auch erweiterte Öffnungszeiten, statt sechs Stunden können die Kinder jetzt acht Stunden betreut werden. Entsprechend angepasst werden müsse dann der Elternbeitrag (ab 95 Euro monatlich), den diese an den städtischen Eigenbetrieb „KommBi“ zahlen. Die längeren Öffnungszeiten machen, so Kraatz, eine Gleichstellung zu Regeleinrichtungen in puncto Betreuungszeiten möglich. Drei Kinder wurden unlängst in die Grundschule verabschiedet. Maximal 15 Plätze für Kinder ab drei Jahren kann die öffentliche Einrichtung derzeit anbieten, aktuell besuchen neun Kinder den Waldkindergarten.

Ruhe zum Mitnehmen

Kraatz hofft, dass sie mittelfristig auch eine Waldkrippe einrichten können - für Kinder ab zwei. Das gebe es deutschlandweit bisher nur zweimal. Auch einen Waldhort für Sechs- bis Zwölfjährige könne sie sich vorstellen. Dies setze aber die Zusammenarbeit mit einer Grundschule voraus. Eine bereits bestehende Kooperation könne derweil fortgesetzt werden: Im Rahmen projekt- und praxisorientierter Lerntage helfen Schüler der Friedrichstadtschule unter anderem im Waldkindergarten.

Bevor sie nach Krippe oder Hort greifen, werden sie erst einmal die 15 Waldkindergartenplätze belegen. Die Eltern der neun Mädchen und Jungen, die jetzt schon gebracht werden, wissen um die Vorzüge des pädagogischen Konzeptes der Waldkindergärten. Um eine noch breitere Öffentlichkeit zu erreichen, lädt Kraatz alle Interessierten am 24. September zu einer Kinderkleiderbörse, sie spricht auch von Schnuppertag, ein. Von 9 bis 12 Uhr können sie an diesem Wahlsonntag in den Stadtwald kommen „und ein Stück Ruhe und Zufriedenheit mit nach Hause nehmen“. (mz)