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Nachruf Hartmut Dammer Nachruf Hartmut Dammer: Führungsstark in der Not

Von Marcel Duclaud und Irina Steinmann 23.05.2019, 10:02
Hartmut Dammer hat Spuren hinterlassen, hat die Entwicklung von Stadt und Region geprägt. Er starb mit 69 Jahren.
Hartmut Dammer hat Spuren hinterlassen, hat die Entwicklung von Stadt und Region geprägt. Er starb mit 69 Jahren. Achim Kuhn

Wittenberg - Beim Hochwasser 2002, als weite Flächen des Landkreises unter Wasser standen, als die Bundeswehr zum Einsatz kam, als Tausende Menschen ihre Häuser verlassen mussten, als nicht wenigen die Nerven flatterten, stand er wie ein Fels in der Brandung, strahlte eine Ruhe aus, die sich auf andere übertrug, die bitter nötig war, um die Katastrophe nach den Dammbrüchen zu managen.

Hartmut Dammer, der Jurist aus Worms, der 1992 nach Wittenberg kam, hat seine Spuren hinterlassen in der Region, hat Entwicklung und Aufbauarbeit nach der Wende hier stark geprägt - zunächst als Rechtsdezernent in der Stadtverwaltung, später als Bürgermeister, noch später als Landrat. Am 15. Mai starb er im Alter von 69 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.

Heute nimmt die Öffentlichkeit Abschied von dem Juristen, Politiker und Verwaltungschef, der zweifellos eine eindrucksvolle Persönlichkeit war. Auf Initiative der Familie findet im Stadthaus an der Mauerstraße ab 13 Uhr eine Trauerfeier am Sarg statt.

Wer möchte, kann Hartmut Dammer dort die letzte Ehre erweisen, Blumen niederlegen, kondolieren, sich verabschieden. Einige Worte sagen werden, wie es Mittwoch hieß, lediglich eine Trauerrednerin und Dammers Tochter Katharina.

Kommen werden viele Wegbegleiter, unter ihnen, wenn es seine angegriffene Gesundheit zulässt, Horst Dübner, ein Freund, ein namhafter Politiker der Linkspartei. Dübner und der damalige Sozialdemokrat Dammer, der seine Partei später verließ, hatten sich bei einem sozialen Wittenberger Projekt näher kennen und schätzen gelernt, bei „Wohnen durch Selbsthilfe“.

Hartmut Dammer sei „Vater der Idee“ gewesen, sagt Dübner, der von einer Art K.o.-Schlag berichtet, den er spürte, als er vom Tod seines Freundes erfuhr. Auch deshalb, weil es zeitweise so aussah, als könnte sich Hartmut Dammer wieder erholen.

Dübner erinnert sich an den langjährigen Wittenberger Bürgermeister als Mann mit großem Gestaltungswillen. Aus Worms weggegangen sei er nicht zuletzt wegen überbordender Bürokratie und mangelnder Spielräume. Im Osten, so seine Hoffnung, seien Ideen und Tatkraft gefragt. Eine bittere Pointe war, dass ihn die Bürokratie letztlich eingeholt habe. „Jetzt haben sie uns auch im Griff“, soll Dammer laut Dübner einmal gesagt haben.

Mit seinem Namen verbunden sind etliche Projekte. Unter anderem die erfolgreiche Konversionsgeschichte, auf die Wittenberg verweisen kann. Brachen wie anderswo auf einstigen Liegenschaften der Sowjetarmee gebe es hier nicht. Dübner nennt zudem das Tierheim und verweist darauf, dass sich Dammer stets mit „breiter Brust“ vor seine Leute stellte.

Dass es Meinungsverschiedenheiten gab, leugnet er nicht. Etwa beim Mitteldeutschen Landestheater, dessen Schließung Dammer mit Vehemenz betrieben habe. Sein Bestreben sei gewesen, dass das gesparte Geld Projekten und Vereinen zur Verfügung stehe.

Er habe „gute Erinnerungen“ an Hartmut Dammer, sagte in einer ersten Reaktion noch am Sonntag nach Erscheinen der Todesanzeige Wittenbergs Oberbürgermeister a. D. Eckhard Naumann (SPD). Er erinnerte bei der Gelegenheit daran, dass er es war, der Dammer seinerzeit nach Wittenberg geholt hatte, wo der neue Rechtsdezernent dann auch bald sein Stellvertreter wurde.

Dammer sei ein „sehr wacher Geist“ gewesen, mit einem Pragmatismus, der für ihn „wohltuend“, gelegentlich auch „verstörend“ gewesen sei, so Naumann. Manchmal habe er ihn als „zu wenig euphorisch“ empfunden - insoweit hätten sich beide, der OB und sein Vize, „gut ergänzt“. E

r bedauere, dass sich Dammer nach seiner Zeit als Landrat derart zurückgezogen habe, sagte Naumann. Der Oberbürgermeister und sein Vize, beide a.D., waren quasi Nachbarn in Kropstädt, wenn auch in zwei verschiedenen Dörfern der Wittenberger Ortschaft. Freunde waren sie nicht.

Auch Horst Dübner hat nach eigenem Bekunden nicht verstanden, warum Hartmut Dammer plötzlich so zurückgezogen lebte: „Ich war öfter mal draußen, ein Bier mit ihm trinken und habe gebeten: Komm raus aus deiner Eremitenrolle.“ Früher sei Dammers Anwesen ein Haus der Gastfreundschaft gewesen, ein Ort auch, wo sich verschiedene politische Lager trafen.

Hartmut Dammers Nachfolger als Landrat, Jürgen Dannenberg (Linke), hebt dessen Sachlichkeit und Abgeklärtheit hervor. „Es ist ihm stets gelungen, auf den Punkt zu kommen.“ Er habe sich, wenn es drauf ankam, beim Hochwasser etwa oder beim Orkan Kyrill als Führungsperson erwiesen.

Nicht zuletzt die Zentralisierung der Kreisverwaltung und der Neubau des Kreishauses seien zudem untrennbar mit ihm verbunden. Dannenberg verweist überdies auf Hartmut Dammers soziales Engagement, zum Beispiel bei der gemeinnützigen Heporö GmbH in Zemnick, wo Suchtkranke Hilfe finden.

Der langjährige Sprecher der Kreisverwaltung, Ronald Gauert, bestätigt nicht nur den oft eindrucksvoll leeren Schreibtisch seines einstigen Chefs, sondern auch dessen Anforderungen an Mitarbeiter. „Er verlangte, dass man die Verantwortung ausfüllt, die mit der Stelle verbunden ist.“ (mz)