Nach der Schule Nach der Schule: Weite Welt oder Wittenberg?

Wittenberg - Abiprüfungen und die Prüfungen für den Realschulabschluss soll es auch in diesem Jahr geben, trotz Corona-Pandemie, damit die jungen Leute ihre Träume oder Pläne verwirklichen können. Doch wie gelingt das Jugendlichen, wenn sie ihr Abschlusszeugnis in der Tasche haben? Die folgenden vier Beispiele geben Antworten:
Heinrich Pfeiffer hatte aufgrund seines Studienwunsches nicht in Wittenberg bleiben können. Seit dem Abitur 2015 hat es ihn in den Norden verschlagen: Erst nach Rostock für einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) beim Radio, dann nach Bremen, um Politikwissenschaften zu studieren. Obwohl Pfeiffer kaum heimatverbunden wirkt, wünscht er sich Wittenberg zuweilen zurück: „Wie so oft vermisst man die Dinge, die man plötzlich nicht mehr hat“, sagt er und verweist auf Fahrradtouren durch den Fläming und die belebte Stadt im Lutherjahr. Er meint, letztere sei auch auf die vielen Bundesfreiwilligen zurückzuführen.
Ein junges Wittenberg wäre demnach wünschenswert, dafür müssten jedoch Anreize für künftige Schulabgänger geschaffen werden. Eine dauerhafte Rückkehr würde Pfeiffer nur aus praktischen Gründen in Erwägung ziehen, zum Beispiel wenn seine Eltern pflegebedürftig würden. Dann könne er sich eine Karriere als Journalist in Wittenberg vorstellen. An der Kleinstadtatmosphäre habe er sich nie gestört: „Die Stadt ist vielleicht das viel größere Dorf“, kommentiert er die von ihm attestierte Selbstbezogenheit der Großstädter.
Laureen Wolff hingegen blieb nach ihrem Abitur 2018 am Lucas-Cranach-Gymnasium in der Heimat. Sie begann eine Ausbildung bei der Versandapotheke mycare, dann bot ihr ihre Chefin ein duales Studium an. Wolff nahm die Chance wahr und studiert nun Marketing und Management an einer Berliner Uni.
Nebenbei arbeitet sie direkt im Wittenberger Betrieb, was dank der wenigen Präsenztage an der Universität möglich ist. Wenn sie doch einmal nach Berlin pendeln muss, fühlt sich Wolff fremd: „Ich bin jeden Abend wieder froh, in Wittenberg zu sein“, gibt sie zu. Außerdem lernte sie die ICE-Anbindung als großen Pluspunkt Wittenbergs zu schätzen, sagt sie.
Trotzdem sieht Wolff die begrenzten Ausbildungsmöglichkeiten kritisch. Weitere Berufsschulen zu öffnen, wäre ihrer Meinung nach „eine sinnvolle Maßnahme, um die Leute hier zu halten“.
Bhavana Stojanović, die mit Wolff gemeinsam Abitur machte, wünscht sich ebenfalls mehr aktiven Einsatz, damit weniger junge Leute Wittenberg verlassen. Warum sie selbst gegangen ist? „Ich hatte das Bedürfnis, erstmal etwas von der Welt zu sehen“, sagt sie. Nach dem Abi reiste sie bewusst ziellos umher: erst nach Bali und Indien, dann in zahlreiche europäische Länder. Zwischendurch verbrachte sie immer wieder Zeit bei ihrer Familie in Kroatien. Ab August will Stojanović einen BFD in der Dominikanischen Republik absolvieren. Trotz ihres Hangs zum Globetrotter-Dasein kommt sie immer wieder in die Lutherstadt. „Wittenberg ist mein Wiedersehensort“, meint sie.
Sie könne sich vorstellen, irgendwann dauerhaft zurückzukehren, denn Wittenberg sei eine schöne Stadt, um eine Familie zu gründen. Kurzfristig will Bhavana Stojanović sich jedoch nicht auf einen Wohnort festlegen. Die vielen Ortswechsel hätten maßgeblich zu ihrer persönlichen Entwicklung beigetragen.
Konstantin Wroblewski machte seinen Abschluss 2015 an der Sekundarschule Friedrichstadt. Danach begann er eine Tischlerausbildung in Coswig und absolvierte ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Evangelischen Akademie. Erst durch ein Praktikum bei einer Wittenberger Hebamme bemerkte er schließlich, dass die Geburtshilfe seine Berufung ist.
Da hier keine Hebammen-Ausbildung angeboten wird, begann er eine solche in Ansbach. Wieder nach Wittenberg zu ziehen, das kommt für Wroblewski mittlerweile nicht mehr infrage. Sein Einkommen würde drastisch sinken, weiterhin sei er unzufrieden mit der Ausstattung der hiesigen Schulen. Das hielte ihn von einer Familiengründung in seiner Heimat ab. Dennoch biete die Stadt für junge Menschen sehr gute Chancen, sich politisch zu betätigen, die Wroblewski sich in Ansbach wünschen würde.
Was ihm außerdem an seinem neuen Wohnort fehlt? Die Grillabende an der Elbe. Im Westen wäre so etwas gar nicht möglich, da stünden doch überall Zäune, meint der junge Mann.
(mz)


