MZ-Serie im Garten MZ-Serie im Garten: Ohne geht es für Gerti Hasse nicht

Reinsdorf - Der Weg zur Osterglockenwiese führt vorbei an Pan. Er steht auf einem Sockel, in den Händen zwei Flöten. Die kleine Skulptur des Hirtengottes gehört zu dem wenigen Zierrat in einem Garten, in dem die Pflanzen die Hauptrolle spielen, auch wenn die ordnende Hand von Gartenbesitzerin Gerti Hasse überall erkennbar ist.
Der Osterglockenwiese auf dem weitläufigen Gelände in Reinsdorf kommt eine besondere Bedeutung zu. Um die Osterzeit, wenn das Wetter es zulässt, lädt Hasse zu einer Matinee, die festen Regeln folgt und für die sie eigens ein Spinett in die Botanik tragen lässt. Wenn dann die Musik verhallt ist, sind die Gäste eingeladen, Osterglocken zu pflücken. Vor Jahr und Tag, erzählt Hasse, hat sie 1.000 Zwiebeln dieser Narzissenart selbst gesteckt.
Üben in Distanz
Soweit, so schön und auch so schade. Denn in diesem Jahr war alles anders, die Corona-Krise greift tief ins Leben der Menschen, vieles ist derzeit nicht möglich. Die Osterglocken blieben stehen, dicht an dicht. Inzwischen lässt sich ihre Schönheit nur noch erahnen. Nun gibt es aber gewiss Schlimmeres als den Ausfall eines Konzertes. In die Isolation geschickt zu werden, etwa. Auch Hasse muss sich in Distanz üben, mit 77 Jahren gehört sie letztlich zu einer Risikogruppe, auch wenn sie - dem äußeren Anschein nach - fit ist.
Jedenfalls, sagt Gerti Hasse, finde sie es in Ordnung, Distanz zu anderen zu halten und im Moment nicht reisen zu können, leider auch nicht zum Sohn in die Schweiz. Insoweit betont sie: „Der Garten ist jetzt umso wichtiger.“
Lange Geschichte
Ihn, also den Garten, erwähnte sie übrigens auch, als sie vor einem Jahr in den Ruhestand gegangen ist. Bis dahin hat Gerti Hasse in der Strandbadstraße ihre Arztpraxis geführt, nun war mit der Internistin Gudrun Tegge eine Nachfolgerin gefunden. Die Mittsiebzigerin Hasse freute sich darauf, endlich ausschlafen zu dürfen. Auch würde sie mehr Zeit für den betagten Dackel und, genau, ihren großen Garten haben. Ein Jahr später ist der Dackel ein anderer, ein junges und quirliges Tier. Sollte sich indes auch auf den Latifundien etwas verändert haben, so wird es wohl vor allem Hasse selbst bemerken.
Die Geschichte dieses Gartens reicht weit zurück, der älteste Teil wurde von Hasses Eltern bewirtschaftet. Es war die Zeit nach dem Krieg, als vor allem Gemüse angebaut wurde und kleine Gärten maßgeblich zur Versorgung der Menschen beitrugen. In Gerti Hasses Garten ist die Anzahl der Nutzpflanzen, sagen wir einmal, überschaubar. Aber es gibt sie, etwa in Gestalt von Johannisbeeren oder von Kresse. Wobei letztere dazu bestimmt sei, einen Zaun im hinteren Teil des Gartens zumindest teilweise einzunehmen.
Ursprünglich war dieses Stück Land, das Hasse vor gut 20 Jahren als Acker erwarb und durch das malerisch der „Mummelbach“ mäandert, offen. Dann haben Wildschweine das Areal umgepflügt und Hasse ließ den Zaun setzen. Dafür wie für gelegentlich schwere Arbeiten nehme sie schon mal Hilfe in Anspruch. Ansonsten jedoch scheint sie eine Frau der Tat, die lieber selbst anpackt. Dazu gehört auch Wiesenmähen und wer da mutmaßt, sie nimmt angesichts der Größe der Flächen einen Aufsitzmäher, irrt.
Jedenfalls scheint sie selbst das Mähen nicht als Last zu empfinden. Das war früher anders, da habe sie das oft im Dunkeln gemacht, weil ihre Arbeitstage lang waren und freie Zeit selten. Hasse wird nachdenklich-ernst, wenn sie sich an die Dauerbeanspruchung erinnert, und unter Hinweis auf neue Regeln auch im Arztdienst sagt sie: „Mein Leben hat nach der Wende angefangen.“
Tragende Rolle
Seither haben auch einige Exoten in ihren Garten Einzug gehalten, blaublühende Bäume aus Portugal zum Beispiel. Ansonsten gibt es unter anderem: Rosen, Rosen und Rosen, Hortensien, diverse Sorten Funkien, Rhododendren, Agapanthi, Stockmalven sowie Zieräpfel. Und neuerdings lasse sie Primeln wiederkommen statt wie früher Stiefmütterchen zu pflanzen in mehreren, geometrisch angeordneten und von Buchsbaum begrenzten Beeten.
Dem Buchsbaum kommt bei der Gestaltung eine durchaus tragende Rolle zu, weshalb es sie umtreibt, dass er in diesem Jahr offenbar vom Zünsler, einer Falterart, befallen sein könnte. Ansonsten habe sie sich von der Grundstücksform leiten lassen und dem Boden, sagt Gerti Hasse. Es ist für sie das erste Frühjahr zu Hause. Sie genießt es: „Gärtnern macht glücklich.“ Jedenfalls könne sie sich ein Leben ohne Garten nicht vorstellen. Das gilt immer und jetzt vielleicht umso mehr.
Grün ist die Hoffnung
Wohl denen, die in dieser Zeit einen Garten haben! Neidisch blicken viele, die in der Corona-Pandemie zu Hause bleiben müssen oder deswegen nicht ihren gewohnten Freizeitbeschäftigungen andernorts nachgehen können, auf grüne Auslauf- und Rückzugsräume anderer, seien es Laubenpieper oder Nutzer von Hausgärten. Die MZ stellt Gärten und ihre Besitzer in Wittenberg und im Kreis vor. Sie wollen sich beteiligen? Dann teilen Sie Adresse und Telefonnummer mit unter Tel. 03491/458830, [email protected]. (mz)
