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Mosaiksteinchen zur Lokalgeschichte Mosaiksteinchen zur Lokalgeschichte: Löwenherz im Schloss?

Von Elke Strauchenbruch 09.01.2020, 11:45
Herzog Liudolf von Sachsen - der erste Herzog von Sachsen, Holzschnitt nach dem Porträt in der Stammstube des Schlosses, 1562 in Wittenberg von Johann Agricola veröffentlicht
Herzog Liudolf von Sachsen - der erste Herzog von Sachsen, Holzschnitt nach dem Porträt in der Stammstube des Schlosses, 1562 in Wittenberg von Johann Agricola veröffentlicht Archiv Strauchenbruch

Wittenberg - Kurfürst Friedrich der Weise wählte Wittenberg zum Bau eines neuen und besonders repräsentativen Schlosses, weil er in der Stadt den den politisch bedeutendsten Ort für das Herzogtum und das Kurfürstentum Sachsen sah und das nach außen hin zeigen wollte.

Darum schuf er gemeinsam mit seinem Bruder Johann dem Beständigen in der neu erbauten Schlosskirche eine Familiengrablege für die Kurfürsten von Sachsen. Aber er ging noch viel weiter. Um 1503 wurden umfangreiche Bauarbeiten im Franziskanerkloster vorgenommen, bei denen unter anderem, wie im Schloss, ein Bildfenster eingesetzt wurde und eine Wandmalerei entstand.

Noch vor der Ankunft des jungen Hofmalers Lucas Cranach wurden dessen Vorgänger auch noch damit beauftragt, die Haupträume im Schlossneubau mit einem in der damaligen Zeit einzigartigen, umfangreichen und humanistisch inspirierten szenischen Zyklus auszumalen.

Würde und Macht dargestellt

Für die Stammstube entstand eine Ahnengalerie, die aber nicht die Familie des Kurfürsten darstellte, sondern seine Vorgänger als Träger der Herzogs- und Kurwürde. Friedrich nutzte die Ausstattung des Schlosses zur Darstellung der Würde und Macht des Kurfürsten von Sachsen. Dass er der letzte der in der Ahnenreihe Dargestellten wurde, geschah wohl mehr zwangsläufig als zum Zwecke persönlicher Selbstdarstellung.

Die Ahnengalerie im Schloss zeigte auf 24 Bildern die Herzöge und Kurfürsten von Sachsen. Sie begann mit dem im Jahre 842 zum 1. Herzog von Sachsen erhobenen Liudolf und endete mit Friedrich. Da es nicht um die Darstellung der Wettiner, sondern um die der Herzogswürde ging, wurde auch Heinrich der Löwe dargestellt.

Heinrich der Löwe von Braunschweig wurde für die Geschichte der Stadt Wittenberg bedeutsam, weil Kaiser Friedrich I. Barbarossa ihm 1181 auf dem Reichstag von Gelnhausen das Herzogtum Sachsen nahm und die Herzogswürde dem askanischen Grafen Bernhard von Ballenstedt, dem jüngsten Sohn von Heinrichs Widersacher Albrecht dem Bären, gab. Es ist die Zeit, in der Bernhards Burgward Wittenberg erstmals urkundlich erwähnt wurde

Nach England

Heinrich der Löwe ging nach seiner Entmachtung mit seiner Familie zu seinem Schwiegervater König Heinrich II. nach England. 1189 bis 1199 war Heinrichs Schwager Richard Löwenherz englischer König. Die Familie Heinrichs kehrte darum nach Braunschweig zurück und führte seit 1189 ein von Richard Löwenherz abgeleitetes Wappen, das Anfang des 16. Jahrhunderts auf dem Porträt Heinrich des Löwen in Wittenberg dargestellt wurde.

Die Bilder der Wittenberger Stammstube waren mit deutschen Reimen versehen. Ähnliche Ahnengalerien beziehungsweise Fürstengalerien mit deutschen Reimen gönnten sich die Wettiner im 16. Jahrhundert in etlichen anderen Schlössern wie dem Jagdschloss Lochau (Annaburg), der Wartburg und der Augustusburg (mit Bildern von Cranach d. J.). Wittenberg wurde aber nicht nur Vorbild für Ahnengalerien in Kursachsen, sondern auch für eine der Landgrafen von Hessen in Marburg und eine der Herzöge von Bayern in München.

Die Wittenberger Bilder wurden von Andreas Meinhardi beschrieben, von Luther erwähnt und immer wieder mit Holzschnitten und den Reimen oder in Beschreibungen dargestellt.

Alles verbrannt

Sie verbrannten, als die Festungsstadt Wittenberg im Siebenjährigen Krieg 1760 unter schweren Beschuss geriet und stärkste Beschädigungen erlitt. So erzählt heute nur noch die kurfürstliche Grablege vom Grund Kurfürst Friedrichs für den prachtvollen Ausbau des Schlosses und die Gründung der Leucorea, die Grundlage für den Beginn der Reformation in Wittenberg wurden. (mz)