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Mietnomaden Mietnomaden: Sieben Container Müll aus verwahrlostem Haus in Globig

Von Marcel Duclaud 21.07.2016, 12:44
Nach Aufräumen und Grobputz ist die Wohnung in dem Globiger Haus desinfiziert worden: „Uns sind die Flöhe regelrecht entgegen gesprungen“, sagt Angela Faroß.
Nach Aufräumen und Grobputz ist die Wohnung in dem Globiger Haus desinfiziert worden: „Uns sind die Flöhe regelrecht entgegen gesprungen“, sagt Angela Faroß. Dix

Globig - „Nie wieder“, ruft Andreas Sorbjan. Der Hausbesitzer aus Nordrhein-Westfalen winkt ab, er hat die Nase voll vom Vermietungsgeschäft. Er will seine beiden Häuser, die er in Globig einst als Altersvorsorge erwarb - anstatt einer Lebensversicherung - nur noch los werden. Vermutlich wird die Investition für ihn mit erheblichen Verlusten verbunden sein.

Sorbjan, der in der Nähe von Dortmund lebt, ist gegenwärtig mit seiner Lebensgefährtin Angela Faroß, die Wurzeln in Globig hat und dort ebenfalls einige Wohnungen vermietet, gerade vor Ort. Die beiden haben sich im Baumarkt Schutzkleidung, Mundschutz und Desinfektionsspray besorgt, um eines der beiden Häuser wieder begehbar zu machen.

Dort hatten sie Pfingsten erschütternde Zustände angetroffen, völlig verwahrloste, vermüllte, verdreckte Zimmer, verhungerte, verdurstete Kaninchen neben noch lebenden Tieren, Ungeziefer, nicht entsorgte Abfälle, entsetzlichen Gestank. In dem Haus lebte eine ältere Dame mit ihrer Enkelin. „So etwas“, bemerkt Nachbarin Elli Öbke, die gerade hinzukommt entsetzt, „habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen.“

Inzwischen hat sich einiges getan. Die Mieter sind längst ausgezogen, haben Schulden hinterlassen und ein Haus in jämmerlichem Zustand. Die Vermieter sitzen auf den Problemen: „Sieben Container Müll haben wir hier rausgeholt“, berichtet Sorbjan, der nicht daran glaubt, von dem Geld, das ihm geschuldet wird (Mietrückstände, Anwaltskosten) und das er jetzt investieren muss, etwas wieder zu sehen.

Er will nach Müllbeseitigung, entfernten Tapeten und Desinfektion noch einen Klempner beschäftigen, der das nicht mehr nutzbare Bad auf Vordermann bringt, und das Haus zum Verkauf anbieten. „Wenn ich Globig höre, kriege ich Ausschlag“, sagt der freundliche Nordrhein-Westfale drastisch. Er hat hier nicht die besten Erfahrungen gemacht.

Die Dimensionen in Globig sind sicher außergewöhnlich, Fälle von Mietnomadentum oder das Messie-Phänomen unterdessen kommen immer wieder vor. Gerade „kleine“ Vermieter ohne Erfahrungen und großen Mitarbeiterstab haben mit derlei Problemen zu kämpfen. Mieter bleiben die Miete schuldig und sind eines Tages schlicht verschwunden. Diese Erfahrung hat Angela Faroß mit ihren anderen Wohnungen in Globig gemacht. „Manche Mieter ziehen aus, haben die letzten Mieten aber nicht überwiesen. Ich habe Außenstände von 35.000 Euro.“

Ein Problem für Vermieter besteht unter anderem darin, überhaupt Zutritt zu ihren Wohnungen zu erhalten. Denn der Mieter hat das Hausrecht. Gerade Messies versuchen meist zu verhindern, dass jemand ihre Wohnung betritt. Bisweilen bleibt dem Eigentümer lediglich, ein Besichtigungsrecht einzuklagen. (mz/mac)

Schulden nämlich hinterließ nicht nur die Messie-Dame, auch die einstigen Mieter des benachbarten Hauses, die sich mit sämtlichen Nachbarn verkracht haben sollen, machten sich eines Tages auf und davon, zurück blieben offene Rechnungen von einigen Tausend Euro.

Was das Paar besonders betroffen macht, ist die mangelnde Unterstützung. Die hatten sich die beiden zum Beispiel von Behörden erhofft. Die eigens informierte Polizei (wegen Blutflecken und toter Tiere) habe ebenso abgewunken wie das Ordnungsamt in Kemberg.

Amtsleiterin Silvana Kühn bestätigt, dass sie in solchen Fällen nur „unterstützend tätig werden können“. Etwa mit Kontaktadressen und Ansprechpartnern. „Das ist eine rein privatrechtliche Angelegenheit“, sagt sie. In Fragen des Sorgerechts oder im Blick auf tote Tiere seien Fachbereiche der Kreisverwaltung gefragt. Die hält sich indes bedeckt, aus Gründen des Datenschutzes, wie es am Mittwoch hieß. Generell sei es so, dass jede Kinderschutzanzeige aufgenommen, geprüft und bewertet werde, egal, ob sie sich als gerechtfertigt oder nicht herausstellt.

Zudem können Angela Faroß und Andreas Sorbjan nicht glauben, dass die offenkundigen Probleme der überforderten Familie in Globig unbekannt geblieben sind. „Uns aber hat niemand gewarnt oder informiert.“ Auch nicht der Pflegedienst, der die Wohnung ebenso betreten haben muss wie Notarzt oder Schornsteinfeger. „Sonst wären wir doch eingeschritten.“ So sind die Vermieter aus Nordrhein-Westfalen aus allen Wolken gefallen, als sie sahen, dass aus ihrem Globiger Haus ein Müllplatz gemacht worden war. (mz)

Nach Aufräumen und Grobputz ist die Wohnung in dem Globiger Haus desinfiziert worden: „Uns sind die Flöhe regelrecht entgegen gesprungen“, sagt Angela Faroß.
Nach Aufräumen und Grobputz ist die Wohnung in dem Globiger Haus desinfiziert worden: „Uns sind die Flöhe regelrecht entgegen gesprungen“, sagt Angela Faroß.
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