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Melanchthons Frau Melanchthons Frau: Katharina Krapp, die Unbekannte

Von Stefan Rhein 07.07.2018, 04:52
Melanchthons Frau gehört zu den Unbekannten der Reformation – und teilt dieses Schicksal mit den meisten Frauen ihrer Zeit.
Melanchthons Frau gehört zu den Unbekannten der Reformation – und teilt dieses Schicksal mit den meisten Frauen ihrer Zeit. Tobias Büttner

Wittenberg - Von ihr ist kein Porträt erhalten, Briefe zwischen den Eheleuten sind nicht bekannt, nur wenige Quellen sind überliefert: Melanchthons Frau gehört zu den Unbekannten der Reformation – und teilt dieses Schicksal mit den meisten Frauen ihrer Zeit. So wissen wir auch von Walburga Bugenhagen nur Weniges, etwa, dass sie sechs Kinder zur Welt brachte, von denen nur zwei das Erwachsenenalter erreichten, und dass sie ihren Mann auf seinen Dienstreisen bis nach Dänemark begleitete.

Das Interesse konzentriert sich auf Katharina von Bora, die in Bildern bis hin zu Romanen allgegenwärtig ist und die populären Vorstellungen von einer evangelischen Pfarrfrau prägt, ohne je selbst Pfarrfrau gewesen zu sein.

Die Tochter des Schneiders

Katharina Melanchthon wird im Oktober 1497 in Wittenberg geboren und ist die Tochter des Gewandschneiders Hans Krapp. Die Krapps gehören zu den führenden Familien der Stadt, denn Gewandschneider sind im Spätmittelalter angesehene Tuchhändler, so sitzen der Vater wie auch später der Bruder Hieronymus im Ratskollegium und amtieren mehrfach als Bürgermeister.

Melanchthon und Katharina heiraten 1520, beide sind 23 Jahre alt. Nach der Verlobung Ende August findet die Hochzeitsfeier am 27. November statt. Katharinas Ehemann kommt aus einer Welt, in der Frauen fremd sind: Mit 11 Jahren muss er wegen des Todes seines Vaters sein Elternhaus verlassen, die Mutter heiratet wieder und Philipp zieht nach Pforzheim zu Verwandten.

Stefan Rhein ist Direktor und Vorstand der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, zu deren Museen auch das Melanchthonhaus Wittenberg gehört. In dem Bürgerhaus in der Collegienstraße lebte Philipp Melanchthon. An dessen Ankunft in Wittenberg vor 500 Jahren und seine viel beachtete Antrittsvorlesung soll 2018 erinnert werden. In den kommenden Wochen wird der promovierte Altphilologe und Melanchthon-Experte Rhein, der u.a. Kustos am Melanchthonhaus Bretten war, den Reformator und Humanisten in der MZ vorstellen. Immer einen Besuch wert ist das Melanchthonhaus mit seinem 2013 eröffneten Museumsanbau und dem neu gestalteten Garten.

Den 500. Jahrestag der Ankunft Melanchthons feiern vom 18. August bis 1. September 2018 zahlreiche Veranstaltungen in Wittenberg. So findet am 25. August, dem Tag der Ankunft, ab 18 Uhr ein Willkommensfest im Melanchthonhaus und im Melanchthongarten statt: Theaterszenen, Geschichten aus Melanchthons Leben, Musik, Essen und Trinken. Joachim Camerarius und seine erste Biographie Melanchthons werden von Volker Werner am 31. August, 18:30 Uhr, in der Kapelle Augusteum vorgestellt.

Um vorherige Anmeldungen wird gebeten unter Telefon 03491/4 20 31 16, oder per Mail an [email protected].

Hier in der Lateinschule und später in der Universität trifft er nur Männer. Als er in Wittenberg ankommt, nimmt er bald einen Famulus auf, Johannes Koch. Die Männerwirtschaft scheint nicht so recht funktioniert zu haben, so dass sich Luther auf die Suche nach einer Frau für seinen jungen Kollegen macht, da er ihn unbedingt in Wittenberg halten und den zunehmenden Abbau der Kräfte durch eine Ehe verhindern will.

Seine Wahl fällt auf Katharina Krapp, doch muss er den widerwilligen Melanchthon energisch überreden, der seine wissenschaftliche Arbeit gefährdet sieht und noch wenige Tage vor der Verlobung die Gerüchte eindeutig dementiert. Zu seiner Hochzeit lädt er einen Freund in einem griechischen, so also vor unerwünschten Lesern sicheren Brief ein: zum „Tag der Trübsale“.

An der Feier nehmen Katharinas Verwandtschaft, Luther und seine Eltern sowie Kollegen aus Wittenberg und Leipzig teil, aus Bretten ist niemand gekommen. Als dann Melanchthon nach dem Hochzeitstag seinen ebenfalls frisch vermählten Kollegen, Johannes Agricola, einlädt, in seinem Haus zu wohnen, ist die Geduld der Familie Krapp am Ende: Die resolute Schwiegermutter, die nach dem Tod ihres Mannes das Geschäft verantwortete, bis der älteste Sohn es übernahm, verhindert den Einzug.

Melanchthon klagt noch Monate später über sein schreckliches Ehelos und die neue Knechtschaft. Erst allmählich scheint sich die Lage entspannt zu haben; im August 1523, drei Jahre nach der Hochzeit, kommt Katharina erstmals mit einem positiven Unterton in einem Brief ihres Mannes vor.

Bitte um Gehaltserhöhung

Die vier gemeinsamen Kinder bringen die Eheleute zusammen, sind aber auch Anlass für viele Sorgen. Katharina leidet mit ihrer ältesten Tochter Anna, die in einer sehr unglücklichen Ehe lebt, und fährt zu ihr nach Frankfurt (Oder), um ihr bei der Geburt des vierten Kindes beizustehen. Sie mischt sich sogar einmal in die Gehaltsverhandlungen ihres Schwiegersohnes ein.

Ihr Mann hatte sich bereits für eine Gehaltserhöhung eingesetzt, doch erscheint ihr dieser Brief zu zurückhaltend, so dass sie einen eigenen schreibt und mit Verweis auf Hausbau und wachsende Kinderzahl um die Besserung des Jahressolds bittet. Als sie vom Tod der Tochter erfährt, erkrankt sie lebensgefährlich und leidet unter starken Steinschmerzen.

Nicht nur in diesen Tagen wird Katharina von Krankheit geplagt, da bereits 1536 Melanchthon von einem schweren Leberleiden seiner Frau berichtet, das sie bis an ihr Lebensende quält. 1553 muss er um das Leben Katharinas fürchten und kann nur noch mit zitternder Hand Briefe schreiben.

Eine romantische Liebe?

Hilfsbereit und freigebig, so Zeitgenossen, ist sie, wie übrigens auch ihr Mann oft sehr großzügig mit Geld umgeht. Sie habe den Haushalt vernachlässigt, so Camerarius, was aber Melanchthon nicht sehr gestört habe. Und doch ist im Stadtarchiv immer noch ihr Antrag an den Kurfürsten erhalten, wegen ihres großen Haushalts drei Ziegen statt nur einer im Garten halten zu dürfen; sie bekommt die Erlaubnis.

Ob die beiden zusammen glücklich waren? Das war damals nicht unbedingt die Erwartung an eine Ehe, die ein Ort der Versorgung und weniger der romantischen Liebe war. Ein ungarischer Student berichtet vom Hörensagen, dass Melanchthon sich oft in seinem Arbeitszimmer eingeschlossen und auch auf das heftige Klopfen seiner Frau hin nicht aufgemacht habe: „Thu auff, du schelm!“ Doch er sei still geblieben, wohl wissend, sie komme, um zu zanken und zu stören.

Katharina stirbt am 11. Oktober 1553 nachts um 3 Uhr. Die Tochter Magdalena mit Mann und Enkeltöchtern stehen ihr bei. Philipp ist in Worms auf dem Religionsgespräch. Die Erinnerung an sie kommt indessen in ihm immer wieder hoch: „Täglich, wenn ich meine Enkel sehe, denke ich nicht ohne Seufzen an ihre Großmutter. Der Schmerz bricht wieder auf, wenn ich daran denke, dass ich und meine Familie ihrer beraubt sind. Denn meine Frau sorgte für die gesamte Familie, erzog die Kinder, heilte die Kranken, linderte durch ihre Worte mein Leid und lehrte den kleinen Kindern Gebete. Deshalb vermisse ich sie jetzt in vielen Dingen.“

(mz)