Melanchthon und die Kinder Melanchthon und die Kinder: Ehedramen und Konflikte

Wittenberg - Natürlich gab es in der Reformationszeit noch keinen Kindertag. Er wurde in der DDR 1950 eingeführt und gewinnt erst allmählich bundesweite Bedeutung. Seit Adam und Eva aber gibt es Eltern und Kinder und Schwierigkeiten in ihrem Verhältnis. So hatte Luther ein angespanntes Verhältnis zu seinen Söhnen, denen er vorschrieb, welchen Berufsweg sie einzuschlagen hatten.
Sein ältester Sohn sollte Theologe werden, doch er wollte Jura studieren, was der Vater verbot: „Wenn Du sollst ein Jurist werden, so wollt ich Dich an einen Galgen hängen.“ Oder er drohte ihm an, ihn „über die Elbbrücke in die Elbe stürzen und ertrinken zu lassen“. So musste Hans bis zum Tod seines Vaters warten, um sich seinen Berufswunsch zu erfüllen.
Schmerzlicher Verlust
Konflikte und Dramen gab es auch im Hause Melanchthon. Hier wuchsen zwei Söhne und zwei Töchter auf: Anna, Philipp, Georg und Magdalena.
Georgs Tod im Alter von 21 Monaten stürzte den Vater in tiefe Trauer: „Nichts war mir jemals im Leben teurer als dieser Knabe. Welchen Schmerz ich durch den Verlust erlitten habe, kann ich mit Worten nicht ausdrücken.“
Stefan Rhein ist Direktor und Vorstand der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, zu deren Museen auch das Melanchthonhaus Wittenberg gehört. In dem Bürgerhaus in der Collegienstraße lebte Philipp Melanchthon. An dessen Ankunft in Wittenberg vor 500 Jahren und seine viel beachtete Antrittsvorlesung soll 2018 erinnert werden. In den kommenden Wochen wird der promovierte Altphilologe und Melanchthon-Experte Rhein, der u.a. Kustos am Melanchthonhaus Bretten war, den Reformator und Humanisten in der MZ vorstellen.
Immer einen Besuch wert ist das Melanchthonhaus mit seinem 2013 eröffneten Museumsanbau und dem neu gestalteten Garten. In der Dauerausstellung begleitet übrigens Melanchthons jüngste Tochter Magdalena junge Museumsbesucher durch mediale Angebote einer Kinderebene.
Mit dieser Trauer stand er nicht allein da, denn 1527, im Geburtsjahr Georgs, wütete eine Seuche in Wittenberg, so dass viele Kinder, die in diesem Jahr geboren wurden, entweder schon im Geburtsjahr oder aus Schwäche in den folgenden beiden Jahren starben: jeweils zwei Söhne von Justus Jonas und Johannes Bugenhagen, Elisabeth Luther und eben auch Georg Melanchthon.
Wie Luther so verlor auch Melanchthon zu seinen Lebzeiten zwei Kinder, neben Georg noch die älteste Tochter Anna. Sie wurde am 24. August 1522 nachmittags 3 Uhr geboren, wie das Geburtstagshoroskop, das der befreundete Wittenberger Mathematik- und Astronomieprofessor Erasmus Reinhold aufstellte, präzis belegt.
An seiner Ältesten hing Melanchthon sehr. Als sie 14 Jahre alt war, heiratete sie den doppelt so alten Georg Sabinus, der einige Jahre bei Melanchthon als Hausschüler gewohnt hatte und ein hochbegabter lateinischer Dichter war. Das junge Paar schlägt seine Zelte in Frankfurt/Oder und in Königsberg auf und bekommt sechs Kinder.
Entsetzlicher Albtraum
Anna stirbt wenige Wochen nach der Geburt des letzten Kindes mit erst 24 Jahren, nicht nur aus körperlicher Schwäche, sondern auch zermürbt von den jahrelangen Streitigkeiten mit ihrem Ehemann. Für Melanchthon war die unglückliche Ehe seiner Tochter ein entsetzlicher Albtraum, der ihn in vielen schlaflosen Nächten quälte.
Er machte sich Vorwürfe, die beiden zusammengebracht zu haben, und dachte sogar an Scheidung als letzten Ausweg. Sabinus entlässt die Magd, mit der Anna ein Vertrauensverhältnis pflegte; Sabinus erfindet einen Liebhaber, um den Ruf seiner Frau zu schädigen: Diese und andere Hiobsmeldungen belasten Melanchthon so sehr, dass er sich immer mehr zurückzieht, was auch die Freunde und Kollegen sorgenvoll beobachten. Luther versuchte, ihn in gesellige Runden mitzunehmen, doch vergebens.
Mit seinem intellektuell anspruchsvollen Vater hatte der älteste Sohn Philipp große Schwierigkeiten, denn Philipp Senior hielt Philipp Junior für anständig, aber nicht für studierfähig. Entgegen dieser skeptischen Prognose studierte der Sohn, wurde ein geachteter Beamter in kurfürstlichen Diensten und bekleidete hohe Ämter in der Universitäts- und Kirchenverwaltung.
Mit 18 Jahren bot er den Anlass für einen handfesten Skandal in Wittenberg: In einer Dezembernacht verliebt er sich in Margaretha Kuffner aus Leipzig, die Verwandte in Wittenberg besucht. In dieser Nacht verspricht er ihr auch die Ehe und sie verloben sich. Nach damaligem Rechtsverständnis waren auch die sogenannten heimlichen Verlöbnisse bindend, also auch wenn es keine Zeugen gab.
Vater und Mutter Melanchthon sind strikt gegen diese Ehe, während Margaretha in einem Brief an ihren jungen Liebhaber auf dem Versprechen besteht; er habe ihr „dieselbige Ehe in die Faust zugesagt und mit ganz großem ernstem Schwure bestätigt, nämlich dass ihr immer und in Ewigkeit keine andere zu nehmen willens seid“.
Vater Melanchthon fährt nach Leipzig, um die Verlobung aufzulösen und zeigt nach dem Kennenlernen Verständnis für seinen Sohn, doch bleibt die Mutter bei ihrer Ablehnung, so dass es sogar zu Konflikten zwischen den Eheleuten kommt. Luther mischt sich ein und predigt von der Kanzel der Stadtkirche gegen Kinder, die ihren Eltern nicht gehorchen und sich heimlich verloben.
Er meldet den Vorfall dem Kurfürsten und redet dem jungen Philipp ins Gewissen. Die Ehe kommt nicht zustande, und Philipp wird nach Marburg zum Studieren geschickt.
Spielen im Arbeitszimmer
Im Haus Melanchthons haben seit der Geburt der Tochter Anna 1522 bis zum Tod des Hausherrn 1560 immer Kinder gelebt: die eigenen, außerdem für über zehn Jahre die Nichte Anna Münsterer, deren Eltern 1538 an einer Seuche gestorben waren, und dann die Enkelkinder aus der unglücklichen Ehe der Tochter Anna, die zeitweise alle fünf bei den Großeltern wohnten.
Katharina Sabinus weigerte sich, zu ihrem Vater zurückzukehren: Wie schrecklich muss diese Ehe gewesen sein, dass sich ein Kind mit Händen und Füßen dagegen wehrt, bei seinem Vater zu leben! Sie darf in Wittenberg bei den Großeltern bleiben.
In seinen letzten Lebensjahren erlebt Melanchthon noch die Kinder seiner jüngsten Tochter Magdalena, die mit ihrem Mann Kaspar Peucer zunächst bei ihrem Vater, später dann in einem neu gebauten Haus auf dem elterlichen Grundstück lebt.
Noch fünf Enkel aus der rasch anwachsenden Familie Peucer sieht der alte Melanchthon. Von ihrem Spielen in seinem Arbeitszimmer erzählt er sogar in seinen Vorlesungen. (mz)