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MDR-Sendung MDR-Sendung: Das Teufelszeug aus der Puddingfirma

31.05.2016, 08:47
Eine Panzermine
Eine Panzermine Privat

ORanienbaum - Der MDR präsentiert am heutigen Dienstagabend ab 20.45 Uhr „Die geheime Waffenfabrik von Oranienbaum“. Fast jeder in der Barockstadt weiß, dass aus dem Objekt der Deutschen Wehrmacht nach dem Zweiten Weltkrieg der VEB Chemiebetrieb Kapen wurde, der - eng verbunden mit den Streitkräften der einstigen Sowjetunion - Waffensysteme und Munition entwickelte und herstellte. Dies waren vor allem die an der Staatsgrenze der DDR eingesetzten Landminen, die Selbstschussanlagen und andere lebensbedrohliche Waffen.

Legenden und Mythen über die "Puddingfabrik"

Noch heute ranken sich Legenden und Mythen um die „Puddingfabrik“, wie der Volksmund den im Forst versteckt gelegenen Betrieb sarkastisch nennt. Der Dessauer Schriftsteller Joachim Specht hat die Geschichte des Unternehmens und der Rüstungsindustrie bereits lückenlos aufgearbeitet. „Die Geheimnisse von Kapen“ gelten seit der Buchveröffentlichung im Mai 2009 als gelüftet. Das sieht der MDR offensichtlich anders. In der Pressemitteilung vom Montag heißt es zur Erstsendung: „Noch heute liegt ein Mantel des Schweigens über der Todesfabrik.“

„Das ist quatsch“, sagt Oranienbaums Bürgermeister Uwe Zimmermann (Linke). Es sei alles nach bestem Wissen und Gewissen erforscht. Detailfragen, was genau zur Wende passiert sei, könne er - auch wenn sie von TV-Leuten „gebetsmühlenartig wiederholt“ werden - aber nicht beantworten. „Da war ich 32“, so das Stadtoberhaupt.

Und der bekommt - das ist nicht immer der Fall - parteiübergreifende Rückendeckung. „Wir haben nichts verschwiegen“, so Ratschef Maik Strömer (CDU), der seit 1999 ehrenamtlich Politiker ist. In den Ratssitzungen sei in regelmäßigen Abständen von den Messungen der Schadstoffbelastung berichtet worden. Gefahren im Dessora-Industriepark gebe es überhaupt nicht. Dort hat der Kampfmittelräumungsdienst nach der Wende ganze Arbeit geleistet.

Unterstützung ausgebremst

Aber gerade in dieser Zeit kann vom „wilden Osten“ gesprochen werden, in dem alles möglich schien. Der damalige zuständige Landrat Günter Schöley (CDU) erinnert sich an die Gespräche mit dem Chef in Kapen. „Er war drei- oder viermal in meinem Büro. Da ging es aber immer nur um die Zukunft des Unternehmens“, erzählt der heutige Gräfenhainichener Ratschef, der sich einst bemüht hat, Fragen der Altlasten zu klären.

„Ich wollte mit dem Spürpanzer das Gelände untersuchen lassen. Dafür habe ich mir von oben ein paar Kopfnüsse eingehandelt“, blickt er am gestrigen Montag zurück. Auch die MZ hatte versucht, mit Hilfe von Bundeswehrtechnik Recherchen zum Rüstungsbetrieb zu untermauern. Doch auch die Unterstützung aus Sachsen wurde in letzter Sekunde ausgebremst. Es war das Dessauer Regierungspräsidium, das den Einsatz aus Bad Düben damals stoppte. Jahre später gab es dafür eine simple Erklärung: Negative Schlagzeilen hätten den Dessora-Industriepark gefährdet.

Spektakuläre Fakten

Auch der inzwischen gestorbene Schriftsteller Specht stieß bei seinen Recherchen „schnell auf taube Ohren, Kopfschütteln und Schweigen“. Der Muldestädter, der über ein Jahrzehnt recherchiert hat, präsentierte spektakuläre Fakten. So wurde das DDR-Tötungsgerät Selbstschussanlage SM-70 eben in Kapen produziert.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren hier Giftgasgranaten produziert worden. Die Siegermächte wollten das Teufelszeug laut dem Schriftsteller schnell loswerden und versenkten es - ein Teil wird aber auch in Kapen vernichtet - in der Ostsee. Der Dessauer berichtete allerdings auch über die russischen, ukrainischen und polnischen Zwangsarbeiter und schrieb zudem von den zum Kriegsdienst verpflichteten deutschen Frauen.

Der MDR-Moderator Axel Bulthaupt geht mit Gerhard Pix, Spechts Co-Autor, heute auf Spurensuche. (mz)