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MDR-Kinderchor MDR-Kinderchor in Wittenberg: Wie Ursprünglichkeit klingt

Von Erhard Hellwig-Kühn 14.08.2016, 15:56
Innerhalb des MDR-Musiksommers gastierte der MDR-Kinderchor in der Wittenberger Stadt- und damit Luthers Predigtkirche mit dem Programm „Luthers Klang“.
Innerhalb des MDR-Musiksommers gastierte der MDR-Kinderchor in der Wittenberger Stadt- und damit Luthers Predigtkirche mit dem Programm „Luthers Klang“. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Unter dem Motto „Luthers Klang“ hat der MDR-Musiksommer am Sonnabend in Luthers Predigtkirche Sankt Marien in Wittenberg gastiert. Es wurde ein Konzert mit dem MDR-Kinderchor, zusammen mit dem Johann Walter Consort, Christan Otto an der Orgel, unter der Leitung von Ulrich Kaiser geboten.

Ob es denn originell sei, mit Luther in der Lutherstadt aufzutreten, war in der Begrüßung Kaisers rhetorische Frage. In Wittenberg, wo alles bereits auf das Reformationsjubiläum 2017 ausgerichtet ist? Bei seinem Rundgang durch Wittenberg habe Kaiser auf den Plakaten dieses Motto „Luthers Klang“ nicht entdecken können. Aber gerade darauf kam es ihm an, musikalisch eingebettete Luthertexte in ihrer Ursprünglichkeit zu erleben.

Aus zwei Gründen bot es sich an, mit einem interessanten Programm nach Wittenberg zu kommen. Zum einen, so Kaiser, sei Luther der Erfinder des deutschen Liedes schlechthin. Seine Sprache sei unerreicht. Und die meisten Lieder seien sowieso erstmalig in seiner Kirche hier in Wittenberg gesungen worden. Zum zweiten klingt kein anderer so wie Luther, habe dessen Freund Johann Walter gemeint. Von den „tausenden Komponisten“ hätte Ulrich Kaiser 17 ausgewählt und mit ihnen ein kurzweiliges Programm erstellt. Von manchen Liedern werden gleich mehrere von ihnen vorgestellt, sozusagen im fließenden Übergang.

Man solle die Ruhe, die sich zwischen den einzelnen Liedern ergibt, aushalten und auf den Beifall zwischendurch verzichten. Luther hätte zwar Beifall sicherlich auch toleriert. Man könne aber am Schluss so lange applaudieren, bis die Kinder wieder im Bus seien, um die Rückreise anzutreten. Luther hätte auch sein Vergnügen an diesem Chor, die Zuhörer würden dies bestimmt bestätigen.

Musica und Mathematica

Es ist richtig, Luther hat das evangelische Liedgut erfunden und die Musik als Gesang reformiert. Im Vergleich zu Paul Gerhardt, dem großen Lieddichter der evangelischen (und katholischen) Kirche schrieb Luther eher wenige Lieder. Und er hatte auch nicht immer die sprachliche Eleganz von Paul Gerhardt. Die Reime sind nicht immer so flüssig. Aber Luther war ein Verfechter der frühkindlichen Erziehung, vor allem was den Liedgesang anging. Er schrieb biblische Erzähllieder und geistliche Kinderlieder. „Kinder müssen singen und die Musica mit der ganzen Mathematica lernen“, hat er gemeint. Im Lied greifen Text und Melodie ineinander. Luther soll dabei leidenschaftlich gern und gut gesungen haben.

Es ist kaum verständlich, dass er die Orgel nicht sonderlich mochte: „Sie (die Pfeifen) plärren und schreien“. Pauken und Trompeten – man denke an Bachs Weihnachtsoratorium - waren für ihn „himmlisches Feldgeschrei“. Luther spielte hingegen die Laute. Sanfte Töne waren sein Ding.

Martin Luther wäre in der Tat von diesem Konzert beeindruckt gewesen. Der rund 50-köpfige Kinderchor bestach schon optisch: die Mädchen im schwarzen Kostüm und orangefarbenen Westen, die Jungen im schwarzen Anzug mit ebenfalls orangefarbener Krawatte. Glockenklare Stimmen ohne Makel, vor allem auch im Unisono Gesang, ausgewogene Instrumentalisten mit ihren wunderbaren Renaissance-Instrumenten (Friderike Otto, Zink, Claudia Mende, Violine, Benjamin Dreßler, Viola da Gamba, Sebastian Krause, Posaune, Michaela Biglerova, Dulican und Erik Warkenthin, Laute). Die Textbearbeitungen von Melchior Vulpius sowie Heinrich Schütz (vor allem „Singet dem Herrn ein neues Lied“ und „Verleih uns Frieden“) waren besonders erhebend.

Ulrich Kaiser und der MDR-Kinderchor mit diesen Instrumentalisten des Johann Walter Consorts gestalteten die Luthertexte sehr innig und ehrlich. Dezente Emphase und das wasserklare Netzwerk der Instrumentalstimmen hielten eine nahezu ideale Balance. Intelligente Hell-Dunkel-Malerei sorgten für eine Atmosphäre, die dem Strom der Stimmen die Ruhe verlieh, die er benötigte.

Emotinalität und Klarheit

Alles in allem erreichten der Chor und das Johann Walter Consort eine überaus suggestive Wirkung voller Emotionalität und Klarheit. Der musikalische Glanz fügte sich bestens ein in die gut ausgeleuchtete Predigtkirche Luthers. Und am Applaus wurde nicht gespart. Er war frenetisch. Ein wahres Indianergeheul voller Begeisterung erscholl dabei, wahrscheinlich von einem angereisten Fanclub. Aber - auch das hätte Luther toleriert.

(mz)