Lutherwanderung Lutherwanderung: Fußmarsch trotz Tropenhitze

Wittenberg - Ein nicht alltägliches Szenario bietet sich am Samstagmorgen in der noch in sich ruhenden Kurstadt Bad Belzig. Es haben sich 33 Wanderer vor der Kirche „St. Marien“ eingefunden. Sie alle sind bereit, sich einer 42 Kilometer langen Tortur per pedes zu unterziehen - mit dem Ziel Wittenberg.
„Auf den Spuren Luthers“ heißt das Motto. Ja solche Spuren gibt es auch in Belzig zu entdecken, denn 1530 weilte der Reformator hier zur Kirchen- und Schulvisitation. Mit dem Ergebnis: Er war zufrieden. Seine Lehren wurden hier vorbildlich umgesetzt.
2016 handelt es sich inzwischen um die 5. Lutherwanderung. So was nennt man Tradition. Nach Leipzig-Wittenberg (2012), Torgau-Wittenberg (2013), Jüterbog-Wittenberg (2014) und Dessau-Wittenberg (2015) folgt nun Belzig-Wittenberg. Wie wir aus der Geschichte wissen: Es sind allesamt Orte mit Bezug zur Reformation. Doch bevor es an den „heißen“ Start geht, fragt man sich: Ist den Akteuren eigentlich bewusst, was auf sie zukommt?
Die fünfte Lutherwanderung von Bad Belzig nach Wittenberg betrug 42 Kilometer und führte über Grubo, Raben, Klein Marzehns, Straach, Nudersdorf, Braunsdorf in die Lutherstadt.
Die Höchsttemperatur lag bei 34,2 Grand Celsius. Die Durchschnittslaufgeschwindigkeit betrug 5,1 Kilometer pro Stunde. Kalorienverbrauch: 4 800 Kilokalorien. Die Durchschnittsflüssigkeitszufuhr beträgt fünf Liter.
Es ist 7.30 Uhr. Ein Präludium von Bach, intoniert von Kantor Winfried Kuntz, ertönt und die Worte von Pfarrer Matthias Stephan machen Mut. So was nennt man mentale und geistige Einstimmung. Doch auch die Wegzehrung, überreicht von Belzigs Bürgermeisterin Hannelore Klabunde-Quast, sind kleine Gesten, die gut ankommen.
Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) als Johann von Staupitz, Bernhard Naumann als Luther, ein Hofmusikus und die Wittenberger Botenläufer um Bernd Güldner zählen wie immer zum Gefolge. Mit einem Lied auf den Lippen verlassen die tapferen Wanderer die Kurstadt. Die Wetteraussichten versprechen Temperaturen jenseits der 30- Grad-Grenze – dies bei 13 Stunden Sonne pur.
Da werden die die physischen Leistungsgrenzen ausgelotet. Für Inge Hackl (75) aus Wittenberg kein Grund zu kneifen. Sie gibt das Tempo vor und das liegt bei knapp sechs Kilometer pro Stunde. Recht illuster ist das Teilnehmerfeld. Selbst Belzig Kantor Kuntz (53) lässt es sich nicht nehmen, in Begleitung seines Hundes bis Raben (Kilometer 15) im Wanderpulk dabei zu sein. In den Kirchen von Grubo und Raben setzt er sich an sein geliebtes Instrument, die Orgel. Die Musik bedeutet jedes Mal einen kleinen Motivationsschub. In allen Orten werden die Wanderer herzlich empfangen durch Ortsbürgermeister und Kirchenvertreter. Da sind Naumanns (Luther) Sprüche mit viel Humor gewürzt immer wieder kleine Höhepunkte.
Oberbürgermeister hält durch
Wolfgang Raschke aus Torgau (das vierte mal dabei) hatte den weitesten Anreisweg. Ellen (57) und Werner Wildgrube (63) aus Weddin versuchen es, als Ehepaar die Distanz zu meistern. Auch Anke Zugehör, Ehefrau vom Oberbürgermeister, beweist sportliches Durchstehvermögen.
Wer kennt sie nicht: Petra Schütze, die Organisatorin des Wittenberger Töpfermarktes aus Gräfenhainichen. Sie wagt es sogar, mit Mischlingshund Lotte diese Marathondistanz zu bewältigen. „Mein Hund gehört einfach dazu. Zehn Kilometer täglich durch die Heide. Das braucht er“, erklärt sie. Ja eine gewisse „Sucht“ zum Laufen darf man allen bescheinigen.
Endlich Picknick. Eine Fata Morgana gleichend in glühender Augustsonne taucht das Versorgungsfahrzeug der Stadt von Karina Austermann auf. Etwas Essbares, ein kühler Trunk, sogar ein Eis werden angeboten. Das gibt Kraft. Der Wanderpulk nähert sich Straach. 34,2 Grad im Schatten. „Wie soll man das noch bis Wittenberg ertragen?“, fragt sich so mancher. Drei Kilometer vor Straach taucht plötzlich Pastor Hans Kasch (Direktor Zentrum Lutherischer Weltbundes in Wittenberg) auf.
„Eine tolle Aktion“, lobt er die Initiatoren. „Bis Wittenberg möchte ich gern dabei sein“, lautet sein frommer Wunsch, den er am Ende auch realisiert. Großer Bahnhof herrscht vor der Straacher Kirche. Ortsbürgermeister Klaus Eckert sowie der Wander- und der Heimatverein, die Jugendfeuerwehr und der Wittenberger Heimatverein begrüßen die ausgelaugten Akteure mit einem kühlen Trunk. Da sagt man nicht nein. Ebenso ein Begrüßungskomitee beim Verein Rittergut Nudersdorf. Dort frischer Pflaumenkuchen. Wer kann da widerstehen?
Festakt in Braunsdorf
Wenn eine Kirche, wie die in Braunsdorf, vom Verein „Mitteldeutsche Kirchenstraße“ zur Kirche des Monats gekürt wird, ist dies ein besonderer Anlass. Halb Braunsdorf wohnt dem kleinen Festakt bei. Martine Schering, Vereinsvorsitzende „Förderverein Flämingkirche Braunsdorf“, nimmt sichtlich gerührt die Auszeichnung durch Lysander Pötzsch („Mitteldeutsche Kirchenstraße“) entgegen.
Braunsdorf steht als Synonym für gesellschaftliches Engagement. Noch sind es sechs Kilometer. „Das schaffen wir“, klingt der bekannte Merkel-Spruch von allen Seiten. Gegen 19.15 Uhr ist es am Samstagabend tatsächlich geschafft. Ein Abschlussfoto vor dem Melanchthondenkmal (nicht Luther!) beschließt einen ereignis- und strapazenreichen Tag. Nun ein letztes kühlendes Bier in der Hofwirtschaft. Das haben sich alle verdient. Pläne für die Auflage 2017 bleiben vorerst noch geheim. (mz)

