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Luther und die Avantgarde Luther und die Avantgarde: Kreative Baustelle im Gefängnis

Von Stefanie Hommers 05.04.2017, 09:53
Der Amerikaner Richard Jackson bespannt Rahmen in seiner Zelle.
Der Amerikaner Richard Jackson bespannt Rahmen in seiner Zelle. Thomas Klitzsch

Wittenberg - „Die Art und Weise zu ändern, wie Menschen über Malerei denken, könnte schon 500 Jahre in Anspruch nehmen“, glaubt Richard Jackson. Der US- Amerikaner arbeitet hart daran konventionelles Denken ins Wanken zu bringen - in seiner Gefängniszelle.

Er vermisst die Wände, berechnet Mittelpunkte, spannt Leinwände auf Rahmen. „Hier könne man „einen Meister am Werk beobachten, der mit höchster Intensität“ arbeite, beschreibt Walter Smerling den Schaffensprozess eines Mannes, der als einer der radikalsten Künstler gilt, die die Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat.

Jackson ist einer von 67 Kreativen, die von Kurator Smerling eingeladen wurden, für die Ausstellung „Luther und die Avantgarde“ eine Arbeit im ehemaligen Gefängnisbau Wittenbergs zu erstellen und sich mit dem Thema Freiheit im einst geschlossenen Raum des Freiheitsentzugs auseinanderzusetzen.

Nein, eine besondere Beziehung zu Luther habe er nicht, gesteht Jackson freimütig während er weiter die Grundlagen für sein Kunstwerk schafft, und es scheint ihm auch nicht notwendig. Flugs teilt Jackson den Titel der Exposition in zwei Teile: Hier die historische Person, dort der Gegenwartskünstler. „Und ich bin die Avantgarde“, gibt er zu Protokoll, „jedenfalls hoffe ich das“.

Noch nicht alle Künstler da

Einige Zellen sind bereits fertig, in anderen warten frisch geweißte Wände auf Gestaltungsideen. Auch Walter Smerling wartet– auf Markus Lüpertz, der sein Kommen eigentlich für diesen Dienstagvormittag angesagt hat. Was unter dessen Händen entstehen soll, ist bereits bekannt.

Der konvertierte Katholik will nach eigenem Bekunden dem Heros Luther ein Denkmal setzen, das seine Größe ebenso zum Ausdruck bringt, wie seine Angreifbarkeit. Doch bislang ist weder von der Skulptur, noch vom Künstler etwas zu sehen.

Vor Ort ist bereits Günther Uecker, anwesend, aber nicht ansprechbar, ganz auf sein Werk konzentriert. Marzia Migliora hingegen lässt sich stören. Das gehöre zur Arbeit für die Öffentlichkeit dazu, findet die Italienerin.

Sie verwandelt eine der Gefängniszellen in einen Tresorraum mit Schließfächern, in dessen Mitte sie eine an Kirchenbänke erinnernde Stufenleiter platzieren will - mit einer in kardinalrotem Samt bezogen Stufe zum Niederknien.

Ihr Raum sei ein Hybrid, beschreibt Migliora ihre Grundidee, Gefängnis-, Mönchszelle und Schutzraum zugleich. Inspiration war ihr „Walter Benjamins Definition vom Kapitalismus als Religionsersatz und der Verflechtung von monetärer und moralischer Schuld“. Das Werk der Italienerin trägt einen deutschen Titel. Es heißt „Schuld“.

Unterschiedlichste Handschriften liegen Zellentür an Zellentür und in einigen Fällen ist das ganz wörtlich zu nehmen. Als erster hatte Jörg Herold Hand angelegt, seine Zelle ganz in Grün gestaltet und im Anschluss dann die unterschiedlichen Bezeichnungen für „Gott“ auf Arabisch eingeritzt, 90 an der Zahl.

Der Zusammenhang von Schriftbedeutung und Kultur, erfindet sich auch im Treppenhaus, das die chinesische Künstlerin Jia mit verlorenen Schriftzeichen, die einst von der Kommunistischen Partei verboten wurden, verziert hat.

67 individuelle Werke

„67 Individuen, die jedes für sich ein wichtiges Werk schaffen und die doch auch als Gesamtbild wirken“ , so beschreibt Walter Smerling den Charakter der Ausstellung. Vorerst arbeiten Kuratoren und Künstler, Architekten und Handwerker zwar noch auf einer Baustelle, doch Tag für Tag, Exponat für Exponat wächst „Luther und die Avantgarde“.

Und bis zur Eröffnung am 18. Mai habe man schließlich auch noch etwas Zeit. Dass dann auch Lüpertz Luther seinen Platz in Wittenberg eingenommen hat, davon ist Kurator Walter Smerling überzeugt. (mz )

Aufbau von Korphys Löpfler.
Aufbau von Korphys Löpfler.
Thomas Klitzsch
Installation von Ai Wei Wei.
Installation von Ai Wei Wei.
Thomas Klitzsch
Zelle von Thomas Huber.
Zelle von Thomas Huber.
Thomas Klitzsch