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Lucas-Cranach-Gymnasium in Wittenberg Theaterstück über Amoklauf: Schüler stellen sich traumatischem Thema - Was das Publikum sagt

Die Theatergruppe des „Lucas Cranach“ zeigt ein Stück der bekannten Autorin Juli Zeh über einen Amoklauf an einer Schule. Wie Eckhard Naumann das Stück einschätzt.

Von Mario Dittrich Aktualisiert: 04.03.2024, 12:54

Wittenberg/MZ. - Zur Premiere eines neuen Theaterstücks hatte am vergangenen Freitag die Theatergruppe des Lucas-Cranach-Gymnasiums seine Gäste in die Schule in Piesteritz eingeladen.

Etwa 180 Personen, unter ihnen meist Schüler, aber auch „ältere Semester“ hatten sich versammelt und waren gespannt, was ihnen mit der neu inszenierten Aufführung geboten wird? Gezeigt wurde das Stück „Good morning, Boys and Girls“, das aus der Feder der bekannten Schriftstellerin Juli Zeh stammt und von einem geplanten Amok-Lauf an einer Schule handelt.

Konzentriertes Publikum

Diese sensible und schreckliche Thematik gerade an einer Schule aufzuführen, musste den darstellenden jungen Leuten einiges abverlangen, und so standen die Akteure auf der Bühne auch einem konzentrierten Publikum in der Aula des Gymnasiums gegenüber. Schon beim Auftakt war zu spüren, dass den Gästen hier „Hard Stuff“, harte Kost, gereicht wird.

Mit Jens, genannt Cold (gespielt von Meldrick Stern), erscheint auf der Bühne ein 16-jähriger Außenseiter, der mit seinem Leben nicht klarkommt und in seinem pubertären Wahn beschließt, Amok-Täter zu werden. Cold wird nicht als egozentrischer Irrer dargestellt, vielmehr werden auch gesellschaftliche Verfehlungen an das Publikum gereicht, die als äußere Umstände den Weg in die Katastrophe mit anbahnen. Da sind seine Eltern (gespielt von Marleen Löwe und Timo Michelsson), die als Ehepaar aus bürgerlichen Verhältnissen ihren Jungen zwar materiell verwöhnen, ihn aber - weil fokussiert auf ihre Karriere - emotional verwahrlosen lassen. Gefühlskalt nennt der Vater seinen Sohn ein „Unfallkind“.

„Ihr wart nur Schauspieler“, wird Cold ihnen zornig vorwerfen und ergänzen, dass das einzige Familienmitglied, zu dem er eine Bindung hatte, der Hund war. Die Beziehung zu den Eltern, die Clique, mit der er abhängt und Ballerspiele wie Ego-Shooter betreibt sowie das Hören hasserfüllter Rockmusik bilden die toxische Mischung, die den jungen Mann zum vermeintlichen Attentäter werden lässt.

Die Angst vor dem Realen

Diese Fakten werden jedoch nicht chronologisch durchgespielt, sondern wechseln in verschiedenen Zeit- und Realitätsebenen. Das macht auch den Reiz des Stückes aus, obwohl es oft schwerfällt, der Geschichte zu folgen. Das ist aber beabsichtigt, es ist eben wirr, wie die Gedankenwelt in Colds Kopf.

„Die Angst vor dem Realen zieht sich wie ein roter Faden durch die Fiktion“, hört man den Schauspieler sagen. Facetten- und nuancenreich ist die Dramaturgie angelegt. Da ist auf der einen Seite das chronologisch monotone Aufzählen der Shootings, beginnend 1882 im US-Bundesstaat Illinois, als kalte Ansage des Horrors mit unsäglichem Leid verknüpft. Auf der anderen Seite der emotional bedrückende und verstörende Anruf von Colds Lehrerin Frau Patt (gespielt von Jeanice Geese) während des vermuteten Amok-Laufs auf der dafür ins dunkel getauchten Bühne. Einzig die Interaktionen zwischen Cold und Susanne, einem Mädchen aus seiner Klasse (Aimee Keil), lassen die Hoffnung aufkommen, dass die sich anbahnende Tragödie noch zu stoppen ist. Sie scheint die Einzige, die dem in Todessehnsucht erstarrten Schüler einen Ausweg aufzeigen kann. Und bildet die letzte Person in seiner Umgebung, die den Wahnsinn stoppen könnte, auf den sich schlussendlich und „schussendlich“ alles kumulieren sollte.

Verstörende Wende am Schluss

Jedoch nimmt das Stück zum Ende hin eine Wendung, die verstörend darin besteht, dass Susanne zur Täterin wird und die Gewalttat begeht. Bis zum letzten Akt der Aufführung bleibt dabei schwer zu unterscheiden, was gespielte Realität oder doch nur Fiktion ist.

Auf jeden Fall real war der Applaus, den die Akteure von ihrem Publikum für ihre beeindruckende schauspielerische Leistung erhielten. Denn die agierten nicht nur textsicher, sondern stellten die Figuren auch lebensecht dar. Und so war ihnen der große Dank sicher, den sie von der Leiterin des Schultheaters, der Lehrerin Claudia Schwiefert-Damm erhielten. „Die Dramaturgie ist schwierig, weil die Szenen ineinander verhäkelt sind“, sagt Schwiefert-Damm, die großen Anteil an der Realisierung des Theaterprojekts hat.

Komplexes Thema

Im Publikum befanden sich neben anderen der ehemalige Landrat Wulf Littke und Wittenbergs Ex-Bürgermeister Eckhard Naumann. „Das hier ist kein Gefälligkeitstheater, wo man hinterher sagt, das war schön“, sagt Naumann und ergänzt: „Vielmehr ist so ein komplexes Thema darzustellen eine große Kunst“.

Zum Abschluss dankte Direktorin Anja Aichinger allen Mitwirkenden für ihre engagierte Mitarbeit bei der Realisierung des Projektes, dessen nächste öffentliche Aufführung am 8. März um 18.30 Uhr wiederum in der Aula des Lucas-Cranach-Gymnasiums erfolgen soll.