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Leichen auf Tour Leichen auf Tour: "Echte Körper" werden in Wittenberg gezeigt

Von Irina Steinmann 14.09.2019, 09:11
In Vitrinen liegen plastinierte Körper. Das Foto entstand, als die Ausstellung in Bitterfeld-Wolfen gastierte.
In Vitrinen liegen plastinierte Körper. Das Foto entstand, als die Ausstellung in Bitterfeld-Wolfen gastierte. Andre Kehrer

Wittenberg - In der kommenden Woche wird ein großer Leichentransport in der Lutherstadt eintreffen. Ziel ist die Exerzierhalle, wo die „Echten Körper“ für drei Tage zur Schau gestellt werden sollen. Beinahe 200 Exponate, ganze tote Menschen und Teile von ihnen, umfasst die Ausstellung, deren Macher für sich in Anspruch nehmen, aufklärerisch tätig zu sein.

„Bis vor wenigen Jahren“, heißt es auf der Homepage www.echte-koerper.de, „war der Blick auf tote Körper und das Erforschen der anatomischen Beschaffenheit ausschließlich das Vorrecht von Medizinern in den Sektionssälen der Universitäten.“

Dank ihrer Schau sei es nun möglich, allen Interessierten anatomisches Wissen zu vermitteln, „insbesondere Schulklassen“. Nach Auskunft des Veranstalters mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern handelt es sich um die Leichen von US-Bürgern, welche vor ihrem Ableben verfügt hatten, dass ihr toter Körper „der Ausbildung von Medizinern sowie der Aufklärung von Laien zur Verfügung stehen soll“. Die Exponate seien eine Leihgabe von einem Hersteller für Medizinpräparaten.

Solche Leichenschauen lösten gleichwohl verlässlich Debatten aus, das liegt schon in der Natur der Dinge. Seit den „Körperwelten“ eines Gunther von Hagens, der seine Leichen zusätzlich besonders in Szene setzt und ansprechend rot einfärbt, haben Kommunen und Öffentlichkeit damit umzugehen, ob man derlei zeigen darf - oder vielleicht sogar sollte. Unstrittig ist, dass in der Vergangenheit verschiedene Städte in Deutschland und auch im benachbarten Ausland geprüft haben, „Echte Körper auf Tour“ bei sich zu verbieten.

Und in Wittenberg, wo die Ausstellung noch dazu im eigenen Haus stattfindet? Hat die Stadt keine Probleme damit. „Wir erlauben so etwas, weil es keine rechtliche Grundlage gibt, so etwas nicht zu erlauben“, erklärte Stadtsprecherin Karina Austermann. Die juristischen Fragen seien allesamt geklärt, sagte sie unter Verweis auf die Prüfungen durch andere Städte in der Vergangenheit. „Wenn wir nein sagen, dann greifen wir in die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen ein“ - und das wäre Zensur.

Die Besucher müssten selbst entscheiden, ob sie sich das ansehen - oder eben nicht, verwies Austermann im Übrigen auf die „Freiheit der Kunst und der Wissenschaft“.

Als Vermieterin würde die Stadt eine Nutzung ihrer Ausstellungsräume nur verweigern, wenn rechtliche Grenzen überschritten würden, etwa bei „pornografischen“ oder - auf Nachfrage der MZ - auch rechtsextremen Inhalten. „Als Verwaltung“ habe man im Übrigen keine Meinung zur Schau „Echte Körper“, verwies sie auf Neutralität. (mz)