1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Landwirtschaft in Cobbelsdorf: Landwirtschaft in Cobbelsdorf: Zufriedener Frühaufsteher

Landwirtschaft in Cobbelsdorf Landwirtschaft in Cobbelsdorf: Zufriedener Frühaufsteher

Von STEFANIE HOMMERS 30.10.2015, 10:16
Robbin Radde liebt seinen Beruf bei den Tieren in Cobbelsdorf. Gerade hat er seine Ausbildung mit Bravour bestanden.
Robbin Radde liebt seinen Beruf bei den Tieren in Cobbelsdorf. Gerade hat er seine Ausbildung mit Bravour bestanden. Alexander baumbach Lizenz

COBBELSDORF - Wenn bei Robin Radde am Morgen der Wecker klingelt, springt der junge Mann sofort aus dem Bett. Zeit, sich noch einmal umzudrehen, zu dehnen und zu strecken, bleibt nicht. Die Arbeit ruft, und Robin Radde folgt dem Ruf bereitwillig, obwohl es draußen noch nicht mal dämmert.

Zum Auftakt ans Karussell

Es ist 3.45 Uhr und eine Dreiviertelstunde später hat der 20-Jährige den Weg vom heimatlichen Wahlsdorf zu seinem Betrieb in Cobbelsdorf zurückgelegt und steht in Arbeitsmontur im Kuhstall der Agrargenossenschaft – um 4.30 Uhr setzt sich das Melkkarussell in Betrieb und es wird eine Weile dauern, bis alle 450 Kühe ihre Milch abgegeben haben. „Das geht viereinhalb Stunden straff weg“, sagt Radde und lacht.

Seine Ausbildung zum Tierwirt im Fachbereich Rinderhaltung hat der Wahlsdorfer in diesem Sommer mit Bravour abgeschlossen. Nach seinem Notendurchschnitt gefragt, antwortet er blitzschnell und mit leuchtenden Augen, die hinter dicken Brillengläsern blitzen: 1,98. Der Blick verrät weit mehr als die nüchterne Zahl: Robbin Radde hat sich den Erfolg hart erarbeitet, denn das Lernen fällt ihm schwerer als anderen. Lesen, schreiben und rechnen gehen ihm nicht so leicht von der Hand. Er ist lernbehindert und teilt dieses Schicksal mit rund 200 000 anderen Menschen in Deutschland. Gleichwohl gelang es ihm nach dem Besuch der Pestalozzi-Förderschule in Wittenberg, den Hauptschulabschluss an der Sekundarschule Friedrichstadt zu erlangen, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, die Lehre erfolgreich abzuschließen und einen festen Arbeitsvertrag mit seinem Ausbildungsbetrieb abzuschließen.

„Er ist mit Engagement an die Sache rangegangen und hat das super durchgezogen“, sagt Egbert Laaß. Der Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Cobbelsdorf ist mehr als zufrieden. Über die Agentur für Arbeit wurde die Ausbildung des frisch gebackenen Tierwirts gefördert. Dabei erhielten sowohl der Betrieb als auch der Auszubildende Unterstützung. „Am Ende“, findet Laaß, „haben damit alle profitiert: Robin, der den Schritt in die eigene Erwerbstätigkeit geschafft hat, die Gesellschaft, der er nicht auf der Tasche liegt und auch wir als Betrieb.“ Denn dass es nicht allein aufgrund der demografischen Entwicklung immer schwieriger wird, Nachwuchs zu gewinnen, weiß der Chef der Agrargenossenschaft nur zu gut. Frühes Aufstehen und Wochenenddienste wirkten auf junge Leute nicht unbedingt verlockend.

Dabei sei Landwirtschaft ein interessantes Betätigungsfeld. Durch verschiedene Initiativen bemühen sich die Vertreter der grünen Berufe vor Ort, das Image aufzupolieren, haben am jetzt auslaufenden Projekt „Chefsache Fachkräftesicherung“ im Verbund zwischen der Hochschule Anhalt, dem Bauernverband Wittenberg sowie dem Bauernverband Sachsen-Anhalt teilgenommen und lassen Siebtklässler im Rahmen von Brafo (Berufswahl Richtig Angehen Frühzeitig Orientieren) in den Betrieb reinschnuppern, um ein realistisches Bild zu vermitteln. Denn ein Kuhstall sei schließlich kein Streichelzoo. „Da geht es auch mal hart zur Sache.“ Für Egbert Laaß gibt es letztlich nur eine entscheidende Voraussetzung für die Auswahl eines Auszubildenden: „Die Leute müssen Lust haben, ihre Arbeit zu verrichten, das ist das A und O.“

Leidenschaft für Tiere

Die hat Robin Radde in jedem Fall mitgebracht. Schon als Kind hat er sich auf dem Acker und im Stall umgeschaut, in den Ferien Praktika absolviert und sich bei seiner Großmutter um Enten, Hühner und Schafe gekümmert. „Ich mag Tiere“, sagt er, „und ich bin sehr zufrieden mit meinem Beruf“. An seinen freien Tagen kümmert er sich immer noch um die heimischen Tiere – und schläft aus.

Jugendliche mit Lernbehinderung können während ihrer ersten Ausbildung in einem Betrieb oder einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) bei der Agentur für Arbeit beantragen. In der Praxis handelt es sich dabei hauptsächlich um Förder- und Stützunterricht sowie sozialpädagogische Begleitung. Der Förderunterricht wird individuell an die Bedürfnisse des Jugendlichen angepasst. Bei sonstigen Problemen im Betrieb vermitteln Sozialpädagogen zwischen Betrieb und Jugendlichem.

Wenn Betriebe Jugendliche mit Lernbehinderung ausbilden, können sie einen Ausbildungszuschuss erhalten. Damit soll der erhöhte Aufwand, der zum Beispiel im Rahmen der Anleitung entsteht, ausgeglichen werden. (mz)