Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Zum Frühschoppen mit dem Paddelboot
COSWIG/MZ. - Unterhalb des Klosterhofes auf der überspülten Straße zur Elbfähre setzen sie den Kanadier mit Platz für zehn Passagiere ins Wasser; nebenan ist das Pumphäuschen des Abwasserzweckbandes von mobilen Schutzsegmenten wie mit einer Burgmauer umhüllt. Der Hochwasserscheitel hat Coswig zwar schon vor einigen Tagen passiert, doch die Flut zieht sich nur langsam zurück. "Drei Zentimeter ist das Wasser seit gestern gefallen", sagt Horst Wolfensteller. Zum Teil steht es noch über einen Meter hoch in der Elbaue.
Sonntag ist Frühschoppenzeit im Kanuverein, da treffen sich die Wasserwanderer sonst in ihrem Sportlerheim direkt am Elbufer. Auf dem Landweg ist die ehemalige Badeanstalt aber nicht zu erreichen, also machen die Coswiger ihr rot-schwarzes Boot flott. Heute ist Kontrolltag. "Während eines Hochwassers paddeln wir regelmäßig zum Vereinsheim, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist", erzählt Vereins-Chef Gerd Lewerenz. Im "Gummiadler" greifen auch seine Eltern Wolfgang und Heide zum Stechpaddel, während Sohn Ernst (3) seine erste Ausfahrt erlebt.
Die Besatzung ist erfahren, hat unzählige Kilometer in Kanus abgespult. Als Steuermann gibt Horst Wolfensteller (71) die Richtung vor, im Bug Horst Kauert (71) die Schlagfrequenz. Alle tragen eine Schwimmweste. "Bei acht Grad Celsius abwärts ist sie vom Landesverband vorgeschrieben", erklärt der Vorsitzende. Eine Paddeltour direkt auf der Elbe wäre jetzt gefährlich. Strömung und Treibgut können gerade kleinen Booten zusetzen, ohnehin wurde die Schifffahrt generell eingestellt. Die Kanuten wählen deshalb den Weg zum Vereinsheim direkt über die versunkenen Elbwiesen. Verästelte Arme von Weiden ragen aus dem Wasser; Wildenten, Blesshühner und Schwäne lassen sich treiben. "Ich habe im Strombad als Mädchen das Schwimmen gelernt", plaudert Heide Lewerenz (66). Und Horst Wolfensteller berichtet von Inselfesten bei Sommerhochwassern in den 1950er Jahren.
Wer schon lange an der Elbe wohnt, hat zumeist gelernt, mit der entfesselten Urgewalt des Flusses zu leben. Alleine im vergangenen Jahr stand das Vereinsheim der Kanuten vier Mal im Wasser. Mit steigenden Pegeln bringen die Mitglieder ihre Boote in Sicherheit, schleppen sie in die obere Etage. Die Mehrzahl der Kanus lagert bei Flut aber im Haus der Vereine an der Zerbster Straße oder auf dem Gelände des Busbetriebes Wricke.
Die morgendliche Inspektion deckt tatsächlich eine Schwachstelle auf. Die Strömung hat eines der Tore zum Bootsschuppen eingedrückt. Ansonsten ist alles in Ordnung - so wie es sich vom Kanadier aus beurteilen lässt. Marco Reichardt dreht trotzdem mit Wathose eine kleine Runde am Objekt.
Auf den Frühschoppen müssen die Sportler übrigens nicht verzichten. Heide Lewerenz macht auf dem Küchenherd im Vereinsheim Glühwein heiß und orakelt über die Faschingsfeier am 5. Februar - natürlich hier draußen. Sollte das Wasser bis dahin nicht verschwunden sein, hat sie einen Kostümtipp für die Mitglieder. "Dann kommen wir eben alle als Taucher."