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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Schule der Menschenfreunde

Von HENRIK KLEMM UND UWE QUILITZSCH 06.09.2011, 17:45

DESSAU/WÖRLITZ/MZ. - 1771 will es Fürst Leopold III. Friedrich Franz wissen: Das Schul- und Erziehungswesen in Anhalt-Dessau soll reformiert werden, es entspricht so gar nicht seinen Vorstellungen, vermittelt nicht das für die Zeit der Veränderungen nötige Rüstzeug.

Da passt es bestens, dass Ernst Wolfgang Behrisch, Hofmeister und Erzieher des jungen Grafen Franz von Waldersee und später des Erbprinzen Friedrich, auf einen Mann aus Altona aufmerksam macht: Johann Bernhard Basedow.

Ruf nach Anhalt

"Die Aeusserungen Basedows in seinen Schriften, von der Nothwendigkeit und dem Nutzen eines Seminars für künftige Lehrer und einer Musterschule, hatten ihn zu dem Wunsche gebracht, dergleichen in seinem Lande anzulegen", erinnert Heinrich Rathmann im Jahr 1791 in seiner Basedow-Biografie an des Fürsten Plan.

Der Landesherr ruft Basedow also nach Dessau. Und der 47-jährige Professor macht sich auf den Weg, eine avisierte Pension von 1 100 Talern und die Flucht vor den Anfeindungen seiner Gegner, die dessen von der herrschenden Kirchenlehre abweichenden Schriften scharf kritisieren, erleichtern die Entscheidung. Zudem verlangt der Fürst "fürs erste keine andere Arbeit, keine anderen Pflichten und Geschäfte, als die Fortsetzung und Vollendung des Elementarwerks, und wollte die Anlage eines Educationsinstituts nach Basedowschen Grundsätzen bis dahin verspart haben", schreibt Rathmann.

Am 12. Mai 1771 notiert Fürstin Louise dann in ihrem Tagebuch: "Der Prof. Basedow aus Hamburg kam jetzt bei uns an und erhielt fürs erste Zimmer im Schlosse zur Wohnung." Zwei Tage später fügt sie hinzu: "Mit ihm und den Kindern gingen wir auf einige Tage nach Oranienbaum. Jeden Vormittag unterhielt uns Basedow mit seinen pädagogischen Projekten und Plänen, nach welchen der Fürst, auf eigene Kosten, eine Erziehungsanstalt in Dessau zu errichten beschloß."

Die Zeit indes ist noch nicht reif, es fehlt in diesen Tagen - obwohl die Fürstin immerhin 12 000 Taler aus ihrer Mitgift dem Projekt zur Verfügung stellt - am Geld für die Musterschule. Hochwasser macht dem Land und seinen Bewohnern zu schaffen, auch müssen die Wörlitzer Anlagen, zum Teil von den Fluten arg geschädigt, in Ordnung gebracht werden. Doch der Kontakt des anhaltischen Fürstenhauses zu Basedow reißt nicht ab.

So schreibt Louise am 9. Juni 1771: "Basedow kam wieder nach Dessau, als wir uns eben in Oranienbaum aufhielten . Die Elbe und die Mulde wuchsen so stark an, dass auch der Weg von Oranienbaum nach Dessau gesperrt war." Und drei Tage später notiert sie: "Auf einem Spaziergange mit meinem Sohn unweit der Wassermühle, bis wohin sich wirklich die Ueberschwemmung ausdehnte, lief das Kind, voller Freude über diesen Anblick, bis an die Brust ins Wasser. Wir hielten ihn erschrocken zurück, indeß Basedow ihm zujauchzte: ,Vortrefflich!'" So bekommt die Fürstin einen Vorgeschmack von den Ansichten des Professors über die Erziehung.

Arbeit am Elementarwerk

Basedows Familie etabliert sich Ende November 1771 in Dessau. Und der Professor ist fortan mit der Ausarbeitung des Elementarwerkes beschäftigt. Das favorisiert eine kindgerechte Pädagogik, die naturwissenschaftlich fundiert ist und sich am wirklichen Leben, den praktischen Betätigungen orientiert. Er "lieferte es auf Ostern 1774 dem Publikum, in vier Bänden zu vier Thalern, mit 100 größtentheils von Chodowiecki gezeichneten Kupfertafeln zu acht Thalern, folglich das ganze Werk zu 12 Thalern" aus, schreibt Biograf Rathmann.

Werbereise durch Deutschland

Doch noch immer fehlt es am Geld, reichen auch Mittel aus dem Verkauf des Elementarwerkes nicht, um die Theorie in die Praxis umzusetzen. Basedow geht deshalb im Sommer 1774 mit des Fürsten Empfehlungsschreiben auf Werbereise durch Deutschland, kommt erfolglos zurück und entscheidet sich nun endgültig, seine Erziehungsanstalt in Dessau zu betreiben. Am 27. Dezember 1774, dem fünften Geburtstag des Erbprinzen, ist es soweit, das Philanthropin, die Schule der Menschenfreundlichkeit wird als pädagogische Musteranstalt gegründet. Basedow steht ihr vor. Neben Unterrichtsfächern wie Fechten, Tanz und Fremdsprachen wird auch Physik, Geometrie, Mechanik, Anatomie, Gartenbau, handwerkliche Arbeit und Schulsport unterrichtet. Im Sinne der Aufklärung soll ein ideal gebildeter Mensch hervorgebracht werden, der geistige und körperliche Qualitäten vereint.

1793 schließt das Philanthropin aufgrund von Streitigkeiten in der Lehrerschaft sowie Organisations- und Finanzierungsproblemen. Basedow ist da schon etliche Jahre nicht mehr Direktor.

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