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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Rozeks Bratwurst erobert Karibikinsel

Von UTE OTTO 22.06.2011, 18:25

COSWIG/MZ. - Die Fleischerei Rozek ist ein Familienbetrieb mit fast 60-jähriger Tradition in Coswig. Geführt wird er in nunmehr dritter Generation von Kerstin und Andreas Rozek. Ob die Firma langfristig über eine der beiden Töchter in Familienhand bleibt, ist noch offen. Die Ältere der beiden drückt gerade noch einmal die Schulbank. Ihre 24-jährige Schwester hat sich zwar nach der Ausbildung zur Bürokauffrau und dem Fachabitur noch für das Handwerk ihrer Vorfahren entschieden, aber sie übt es nicht in Coswig aus, sondern in Venezuela, auf der Karibik-Insel Margarita. Christin Rozek und ihr Freund Miguel Dörner Davis produzieren dort eines der "Meisterstücke" ihres Vaters: Bratwurst.

"2007 haben wir uns in Hannover kennen gelernt", erzählt die junge Frau. Da hatte ihr Freund, der zwar in Venezuela geboren, aber in Deutschland aufgewachsen ist, schon geplant, für drei Monate nach Venezuela zu gehen, zumal er dort seine Mutter und eine Halbschwester hat. Christin Rozek reiste mit und verliebte sich gleich noch einmal "in das Land, in die Leute und in die Natur".

Sie hatten noch keine genaueren Pläne, als sie 2009 beschlossen, sich auf Margarita niederzulassen. Nur eines fehlte ihnen auf der Sonneninsel zu ihrem Glück: "Dass es keine richtig gut schmeckende Wurst zu kaufen gibt". Die Überzeugung, dass sie bei den rund 500 auf der Insel ansässigen Deutschen und weiteren Europäern dafür dankbare Abnehmer finden würden, bestärkte sie in ihrer Idee, Bratwurst nach Vaters Rezept in Venezuela herzustellen.

Die Eltern daheim waren skeptisch. Zwar wissen ihre Töchter, wie Wurst produziert wird, auch haben Christin und ihr Freund mit in der Produktion gearbeitet, aber sollte das ausreichen, einen Betrieb aufzubauen und zu führen? "In Venezuela muss man zwar keinen einschlägigen Berufsabschluss vorweisen", berichtet Christin Rozek, eine Arbeitserlaubnis braucht man aber schon, und auch Hygienezeugnisse.

Mit der Gründung der Firma "Salchichas Alnatural" gelang es ihr, ein Investorenvisum zu bekommen, das zunächst die Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre sichert. Bis auf eine Wurststopfmaschine, die sie selbst aus Deutschland in die Karibik holten, konnten sie alle anderen Maschinen und Gerätschaften in Venezuela kaufen. "Es gibt hier alles", berichtet die Ex-Coswigerin. Das Fleisch beziehen sie auf dem Großmarkt - allerdings ist Schweinefleisch dort sehr teuer. "Für ein Rinderfilet bezahlt man weniger als für das Kilo Schweinefleisch." Lediglich einige Gewürze wie Kümmel und Senfkörner beziehen sie aus der Heimat.

In einem Club namens "Zickentreff" hatten die jungen Unternehmer Gelegenheit, ihre Wurst bekannt zu machen. Die 15 Frauen aus Deutschland, die sich jeden Donnerstag dort treffen, hätten wiederum mit geholfen, dass sich die Kunde von der deutschen Spezialität auf der Insel verbreitete. Außer der Bratwurst haben sie noch eine Hähnchenwurst im Programm und demnächst auch Räucherwurst - der Ofen wird gerade gebaut. "Noch produzieren wir im kleinen Stil zu Hause und beliefern unsere Kunden bis zur Haustür", so Christin Rozek. "Für die Zukunft wünschen wir uns eine richtige Produktionsstätte und einen kleinen Imbiss, da wir beide leidenschaftliche Köche sind."

Heimweh habe sie nicht. "Ich fühle mich hier pudelwohl", so die 24-Jährige. Zwar vermisse sie ihre Familie, "aber so langsam baue ich mir selbst eine Familie auf". Telefonieren sei billiger als mancher denke, so sind die Lieben daheim in Coswig stets über den Fortgang der Dinge in Venezuela informiert. Inzwischen konnten sich ihre Eltern vor Ort überzeugen, dass für die Tochter und den Fast-Schwiegersohn wirklich alles zum Besten steht. Einmal im Jahr fliegt sie in ihre Heimat, freut sich am Wiedersehen mit Verwandten und Freunden. Ganz nach Deutschland zurück zu kehren, könne sie sich im Moment nicht vorstellen. "Wir sind sehr glücklich dort".