Kommunalpolitik in Wittenberg Kommunalpolitik in Wittenberg: Rückkehr zur Tagesordnung?

Wittenberg - Am Dienstag tauchte urplötzlich ein Termin auf, war dann aber ebenso schnell wieder verschwunden aus dem elektronischen Ratsinformationssystem, dessen Kalender seit Wochen sonst nur Leere zeigt. Doch seit Mittwochabend ist klar, dass auch die politischen Gremien nach den corona-bedingten Sitzungsausfällen auf allen Ebenen Schrittchen für Schrittchen wieder Richtung - Betonung auf „Richtung“ - Normalität trippeln: Am 27. Mai wird es, zwei Monate nach der letzten, die ebenfalls schon eine Sondersitzung war, wieder eine Zusammenkunft des Stadtrats geben.
Freude übers Spektrum
Die Freude darüber ist über die gesamte Breite des politischen Spektrums - von AfD bis Linker also - mit Händen zu greifen und das hat neben der rein sachlichen Notwendigkeit auch damit zu tun, dass Kommunalpolitik von der Debatte lebt, vom streitbaren Austausch von Angesicht zu Angesicht.
Die Situation seit der „Vollbremsung im kommunalpolitischen Alltag“ am 13. März „empfinde ich als Verlust und als Fehlstelle“, so beschreibt es etwa Horst Dübner, Vorsitzender der Linksfraktion. „Bescheiden“, fasst AfD/AdB-Fraktionschef Volker Scheurell die zurückliegenden Wochen ohne Sitzungen zusammen und fügt hinzu, dass nun bald „auch wieder die Ausschuss-Arbeit in Gang kommen muss“.
„Heilfroh“ darüber, dass nach langer Zeit wieder eine Ratssitzung anberaumt ist, zeigte sich gegenüber der MZ SPD-Fraktionschef Reinhard Rauschning, während sein Kollege von den Freien Wählern, Stefan Kretschmar, als die eine - wichtigste - Erfahrung während der Corona-Pandemie hervorhebt, dass „wir Menschen das Bedürfnis haben, uns mit anderen auszutauschen“ und das dies auch und gerade für die Politik gelte. Die Vorsitzenden von CDU und Grünen, Bettina Lange und Reinhild Hugenroth, die für die MZ am Donnerstag leider nicht erreichbar waren, dürften dem wohl kaum widersprechen.
Von der gewohnten Normalität, soviel steht fest, wird freilich auch mit der einen Sonderstadtratssitzung am 27. Mai noch nicht wieder die Rede sein können. Ganz im Gegenteil dürfte die Corona-Pandemie dazu führen, dass sich der Sitzungsbetrieb des Stadtrats verändern wird. Ein elektronisches Umlaufverfahren, das dem Vernehmen nach den Testbetrieb bereits erfolgreich bestanden hat, könnte künftig dazu beitragen, dass man sich in den Plenarsitzungen auf Debatten- und/oder die schwierigen Themen konzentriert und unstrittige Angelegenheiten im Umlaufverfahren erledigt.
Als ein Beispiel nannten gleich mehrere Fraktionschefs Feuerwehr-Personalien, die bedürfen qua Gesetz der Bestätigung durch den Stadtrat, sorgen dort erfahrungsgemäß aber nie für Nachfragen oder Debatten.
Ohne Ausschüsse
Dass und zu welchen Themen ein Sonderstadtrat einberufen werden soll (siehe hierzu auch „Vorsorglich“), darauf hatte sich am Mittwochabend der so genannte Ältestenrat verständigt, dem unter anderem eben die Fraktionschefs angehören. Üblicherweise durchlaufen die zur Entscheidung anstehenden Angelegenheiten zunächst die Ausschüsse - Corona sorgt indes auch hier für ein abweichendes Vorgehen.
Während die Verwaltung mit dem Oberbürgermeister an der Spitze für ihr tägliches Informationsschreiben in Sachen Corona (die MZ berichtete) seitens der Stadträte allenthalben gelobt wird - „top!“, sagt die AfD, „vorbildlich“, die Linke - ist offenkundig, dass die zurückliegenden zwei Monate des Lebens in der Pandemie innerhalb der Fraktionen und Parteien mehr als Phantomschmerz verursacht haben.
Auch wenn es mit den „Telkos“ (=Telefonkonferenzen) zuletzt ganz gut lief, wie Stefan Kretschmar für die Freien Wähler konstatierte, ersetze doch nichts den persönlichen Kontakt. Kaum durften im Lande wieder fünfe beisammen sein, da lud Sozialdemokrat Rauschning seine Fraktionsgenossen zu sich nach Braunsdorf ein. Bei der Fraktionssitzung sei es ein Leichtes gewesen, den Abstand einzuhalten: Man traf sich in der Scheune.
Vorsorglich Landesgartenschau
Die Tagesordnung des Sonderstadtrats am 27. Mai im Stadthaus liegt noch nicht vor. Neben dringenden - stets nicht öffentlichen - Grundstücksgeschäften dürfte es unter anderem um die Landesgartenschau 2026 (Laga) gehen, hier sitzt Corona mit am Tisch: Sollte das Land einer Verlängerung der Bewerbungsfrist für die Laga nicht zustimmen, wäre ein „Vorsorgebeschluss“ des Stadtrats nötig, um das pandemiebedingt verzögerte Verfahren fortsetzen zu können. (mz)