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„Luthers Hochzeit“ und Europameisterschaft Kollision der Termine in Wittenberg: Fußball gucken oder Stadtfest feiern?

Es wird es schwierig: Sowohl die Fußball-Europameisterschaft als auch „Luthers Hochzeit“ beginnen. Was tun? Die MZ hat bei Stadtfest-Akteuren, die auch Fans sind, nachgefragt.

Von Marcel Duclaud Aktualisiert: 14.06.2024, 16:36
Das Zelt steht bereits: Mitglieder der historischen  Stadtwache Wittenberg bereiten sich aufs Stadtfest vor.
Das Zelt steht bereits: Mitglieder der historischen Stadtwache Wittenberg bereiten sich aufs Stadtfest vor. (Foto: Marcel Duclaud)

Wittenberg/MZ. - Der Konflikt ist offenkundig und dürfte nicht wenigen Menschen am Freitagabend einen Zwiespalt bescheren: Stadtfest feiern in Wittenberg oder Fußball gucken?

Beides zusammen ist schwierig, jedenfalls für die Akteure des großen und weithin bekannten historischen Stadtfestes „Luthers Hochzeit“, das am heutigen Freitag beginnt. Die sind zahlreich. Und oft eben auch Fußballfans.

Das trifft zum Beispiel auf einen Mann zu, der das Fest seit vielen Jahren prägt mit seiner Stimme und seinen Auftritten: Jürgen Donde, erster Vorsitzender der historischen Stadtwache Wittenberg. „Ich habe“, berichtet er in einer kurzen Pause beim Zeltaufbau gleich neben dem Alten Rathaus, „45 Jahre lang Fußball gespielt, seit meinem siebten Lebensjahr.“

Dass am Freitag zwei Seelen in seiner Brust wohnen, daraus macht Donde kein Geheimnis: „Es wird schwierig.“ Er ist leidenschaftlicher Stadtwächter, Stadtführer, der auf die Frage, was ihn so begeistert am Stadtfest, antwortet: „Da kriege ich gleich Gänsehaut. In dieser Stadt ist Weltgeschichte geschrieben worden. Ich versuche immer, bei Stadtführungen die Gäste in diese Geschichte mitzunehmen, sie ihnen nahe zu bringen. Das funktioniert und das macht Spaß.“

René Peper beim Zeltaufbau auf dem Kirchplatz
René Peper beim Zeltaufbau auf dem Kirchplatz
(Foto: Duclaud)

Andererseits ist da eben auch der Fußball, das Eröffnungsspiel, und die Kollision der Termine. Donde stammt aus Wittenburg in Mecklenburg: „Ich habe eigentlich nur einen Buchstaben getauscht“, scherzt er. Er blieb in Potsdam hängen, spielte dort in Babelsberg. „Als langen Lulatsch haben die mich ins Tor gestellt.“ Nach Wittenberg kam Jürgen Donde der Liebe wegen, gehörte hier auch noch mehrere Jahre der Benefizmannschaft an. Jetzt, kurz vor der EM, hat er natürlich die Testspiele gesehen: „Ein gutes Team, ein guter Trainer, der die Sache angeht. Ich bin optimistisch, dass die Mannschaft mindestens die Vorrunde übersteht.“ Was die Torwartfrage und Manuel Neuer als Nummer eins betrifft, ist Donde nicht ganz so zufrieden: „Das ist nicht die beste Lösung. Die Patzer, ich sehe ihn nicht als Nummer eins.“

Kurz und gut: Eigentlich will Jürgen Donde beides. Das Stadtfest ordentlich feiern, seine Jungs bei Laune halten – der Chef kocht selbst, Szegediner Gulasch – , mit den Freunden von der Brettener Stadtwache zusammen sein, die zahlreichen Termine absolvieren, die ein historisches Stadtfest bereit hält, und eben auch Fußball gucken – das Eröffnungsspiel gegen Schottland. „Ich persönlich“, verrät der Chef der Stadtwache, „werde wohl einen Laptop mitbringen und mich in eine Ecke des Zeltes zurückziehen.“ Allerdings fügt er noch hinzu: „Natürlich steht das Stadtfest im Vordergrund.“

Nicht viel anders ergeht es Michael Fredersdorf von einem der ältesten Stadtfestvereine: Wittenberger Bürgerwehr und Klatschweiber. Am Donnerstag baut auch das Team das große Zelt auf, neben der Stadtkirche. Fredersdorf räumt ein: „Klar gibt es bei uns Fußballfans. Aber das passt nicht zum Mittelalter. Einen Fernseher werden wir hier nicht aufstellen. Wir verpassen wohl die Spiele am Wochenende: Wer weiß, wofür es gut ist.“

Als Jugendlicher hat Michael Fredersdorf Fußball gespielt, später Basketball. Dass er vielleicht mal den einen oder anderen Blick aufs Handy wirft, wenn das Eröffnungsspiel läuft, will er nicht ausschließen. Und manche der Vereinsmitglieder haben auch Glück: „Wir richten einen Schichtdienst an unserem Stand ein. Einige haben also frei und können Fußball gucken.“ Dass Bürgerwehr und Klatschweiber sich auf „Luthers Hochzeit“ freuen, ist keine Frage: „Das ist immer so.“ Auch wenn der Aufwand beträchtlich ist. Fredersdorf: „Mit der Vorbereitung sind wir 14 Tage lang gut beschäftigt.“ Gestattungsantrag für Gastronomie, später die umfangreiche Hygienekontrolle, fließend warmes Wasser braucht es, Kühlung ebenso. Um nur einiges zu nennen. Egal, das Fest ist es wert.

Findet auch René Peper, ein weiterer Fußballfan, der am Donnerstag beim Zeltaufbau der Zunft der Wittenberger Suppenmeister gefordert ist. Für ihn ist klar: „Das Fest geht vor. Wir leben das Stadtfest. Und beides lässt sich schlecht verbinden.“ Fußball kann man auch noch später gucken. Sein Tipp: Deutschland kommt ins Halbfinale.