Jugendweihe in Wittenberg Jugendweihe in Wittenberg: Das Gefühl ist schon da

WITTENBERG/MZ - „Es ist schon ein wichtiger Tag. Man fühlt sich erwachsener“, sagt Tobias Ristok. Der Gymnasiast hat eine kurze Zeit nach den passenden Worten gesucht. Aber etwas Treffenderes, die Jugendweihe zu beschreiben, fällt ihm so schnell nicht ein. Auch Anna Hainich versucht ihre Gefühle in Worte zu fassen. „Für mich ist es schön, alle so herausgeputzt zu sehen“, findet sie. Sie selbst war auf einer Modenschau und hat sich ihr Kleid für diesen besonderen Tag selbst ausgesucht.
Aufregung ist groß
Man merkt es am Sonnabend den Achtklässlern an, dass ihnen die Bedeutung der Jugendweihe bewusst ist. Schüler des Wittenberger Lucas-Cranach-Gymnasiums und des Kinder- und Jugendhilfeverbundes Wartenburg haben sich an diesem Morgen mit Angehörigen im Kultur- und Tagungs-Centrum (KTC) der Lutherstadt eingefunden. Etwas aufgeregt zupfen sie an Krawatte und Jackett, streichen Röcke und Haare zurecht. Die Eltern, Großeltern und Geschwister sind nicht minder angespannt.
„Natürlich bin ich aufgeregt, es ist mein einziges Enkelkind“, wartet Sybille Kupka auf den großen Augenblick. Sie selbst hat vor nicht ganz 50 Jahren, als das Haus noch „Maxim Gorki“ hieß, hier ebenfalls die eigene Jugendweihe erlebt. Der Saal war mehr geschmückt damals, „und wir haben viel mehr über den Sozialismus gehört“. An ihrer Seite sitzen mit Walheide Klingner die zweite Großmutter und mit Konstanze Kupka-Klingner die Mutter von Pia, welche jeden Augenblick mit den anderen Jugendlichen in den Saal kommen wird. Vater Ronald Klingner hat sich einen günstigen Platz auf der Empore gesucht, um den feierlichen Augenblick im Video festzuhalten.
Es ist Brauch, dass sich die Erwachsenen erheben, wenn die Jugendweihlinge den Saal betreten. 65 Jungen und Mädchen sind es, die in kleinen Gruppen auf die Bühne gehen und dort die Glückwünsche, ein Buch und Blumen bekommen. Pia ist die erste, die die Bühne betritt. „Schön war das nicht. Ich war sehr aufgeregt“, sagt sie draußen, als alles vorbei ist. Dort, wo schon Schüler und Angehörige der Heinrich-Heine-Schule in Reinsdorf auf ihren großen Augenblick warten.
Verwunderlich ist es nicht, dass sich keiner den Sinnspruch gemerkt hat, der jeder Gruppe mit auf den Weg gegeben wird. Was ihnen bleiben wird, sind die aufmunternden Worte von Wittenbergs Bürgermeister Torsten Zugehör (parteilos), der als Festredner Gedanken zur Vergangenheit ausbreitet und einen Blick nach vorn wirft. In der Rückschau sei für ihn selbst eines entscheidend gewesen: Dies sei der Zeitpunkt, ab dem jeder Verantwortung übernehmen solle. Für sich selbst, für andere, für die Familie. „In der virtuellen Welt ist es per Mausklick heute leicht, Freunde zu haben“, sagt er.
Reale Freunde sind wichtig
Doch für das reale Leben braucht es mehr. „Ich wünsche euch, dass unter diesen Freunden einige sind, die ihr nachts rausholen könnt, um euer Auto zu reparieren. Dass Freunde dabei sind, die euch in den Arm nehmen, wenn es mal wieder schräg läuft“, sagt Zugehör. Nichts werde bleiben, wie es ist. Aber was immer im Leben geschehe, die Eltern würden immer für sie da sein. „Sie werden euch nicht hängen lassen, egal was passiert.“
Nach den Fotos sammeln sich die Familien. Wie fühlt sich Pia in diesem Augenblick? „Nicht anders als vorher“, bekennt sie ehrlich. Und doch ist es für sie ein sichtlich erhebendes Erlebnis, dort zu stehen, im selbst gewählten Kleid, Glückwünsche empfangend. Erwachsen wird man zwar nicht in einem Augenblick, aber man kann ihn spüren. Die Familie versammelt sich, wie viele andere geht es in eine Gaststätte. „Über 20 Erwachsene und fünf Kinder feiern bei uns“, zählt Ronald Klingner auf. Einige kommen sogar aus Hamburg und Berlin. Sie werden nicht nur zusammensitzen und reden, sondern auch das Haus der Geschichte ansehen. Es ist ein Feiertag, für alle.
