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Jubiläum Jubiläum: Souvenirjäger mussten in Schach gehalten werden

Von DIETRICH LEMKE 27.08.2009, 19:24

BÜLZIG/MZ. - Wenige Stunden nach der Notlandung bot der Platz das Aussehen eines riesigen Biwaks. Fliegende Wirtschaften mit Bier und Brause schossen wie Pilze aus der sonst so unfruchtbaren Heide." "Mit geradezu unglaublicher Schnelligkeit hatten sich Händler mit Zeppelin-Karten, Busennadeln und sonstigen schönen Erzeugnissen der ,Zeppelin-Industrie' eingefunden, sehr zum Schrecken des Ortsvorstehers, denn die Gendarmen mußten mit großem Eifer die Gewerbescheine prüfen, manches Andenken musste konfisziert werden. Der Kaufmann (Julius) Baum aus Bülzig war natürlich auch mit seinem Wagen zur Stelle und bot Zuckereier als ,Zeppelin-Eier' an und machte damit ein Bombengeschäft . Als (auf dem Bahnhof) der Vorrat an Fahrkarten zu Ende ging, wurden Hundefahrkarten ausgegeben . Nachmittags hatten sich etwa 20 000 Personen versammelt . und feierten das Ereignis wie ein Volksfest."

Reparatur dauert zwei Tage

Ein Kenner der Heimatgeschichte, der verstorbene Ur-Bülziger Günther Herbig, Sohn des Ortsvorstehers und Ziegeleibesitzers Otto Herbig, hat aus dem Munde seiner Mutter über jene Zeppelintage vieles erfahren, was die zeitgenössischen Berichte bestätigt, und manches darüber hinaus gehört und aufgezeichnet. So hatte er auch die vielen Schreiben in Erinnerung, mit denen Hinz und Kunz bei seinem Vater anfragten, ob er ihnen nicht zu einem Stück vom Zeppelin verhelfen könne, einfach so als Andenken. Polizei und Militär hatten ja das Luftschiff auch wegen der Andenkenjäger abschirmen müssen! Wäre deren Eifer nicht gezähmt worden, wäre vom Z III nicht viel übrig geblieben.

Aus einem Teil des Luftschiffgestänges fertigte der Bülziger Dorfschmied Thiele einen Rauchtisch, einen Trinkbecher und Serviettenringe. Günther Herbig berichtet auch, dass Oberingenieur Dürr seinem Vater als Dank für seine wertvolle Unterstützung ein großes Stück des zu Bruch gegangenen Propellers überließ. Dieses Propellerteil ging zusammen mit anderen wertvollen Erinnerungsstücken in den Familien der Herbigs von einer Generation an die nächste über. Aus diesem Fundus werden die bevorstehenden Festlichkeiten durch die Freigabe einiger bisher unveröffentlichter Zeitdokumente unterstützt. So spannend der unverhoffte Zeppelinbesuch für das Wittenberger Land auch sein mochte - das Luftschiff Z III musste so schnell wie möglich fertig werden. Nach zwei Tagen war die Reparatur beendet, und am 1. September 1909 um 23 Uhr stieg Z III wieder auf und fuhr ohne Zwischenlandung in nur 22 Stunden zurück an den Bodensee. Ortsvorsteher Otto Herbig war noch eine Weile mit Abrechnungen, Berichten und der Entgegennahme von Ehrungen beschäftigt. Was für ihn der Erinnerung wert ist, archivierte er, Bedeutendes, Unbedeutendes.

Erhalten ist ein Eilfrachtbrief, der ausweist, dass sich der zum Halt in Bülzig verurteilte Oberingenieur Dürr aus Berlin frische Wäsche schicken ließ und diese von der Bahnamtlichen Rollfuhr am Blücherplatz bis ins verschlafene Bülzig nur einen Tag brauchte; als Anschrift genügte: Herrn Ober Ingenieur Dürr Luftschiff Kapitän Bülzig Station Zahna.

Otto Herbig schlug vor, einen Gedenkstein an die Stelle der Notlandung zu setzen. Er finanzierte das Vorhaben. Der damalige zweite Bülziger Ziegeleiunternehmer E. Riemer beteiligte sich an den Kosten. Am 30. September 1912 erfolgte die Einweihung. Neben dem Stein wurde ein Fahnenmast errichtet, an dem an bestimmten Tagen, zum Beispiel am Geburtstag der Kronprinzessin Cecilie, dem 22. Oktober, geflaggt wurde. Bei der Einweihung des Gedenksteins war es richtig feierlich zugegangen, fast so, wie es drei Jahre zuvor der freche Karikaturist des "Simplicissimus", Th. Th. Heine, mit seiner Spottzeichnung "Die Zeppelin-Eiche von Klein-Bülzig" dargestellt hatte: Ortsvorstand, Pastor, Kriegerverein, weiß gekleidete Ehrenjungfrauen, patriotische Reden zuhauf, das Deutschlandlied auf aller Lippen. Das war der Geist der Zeit.

Der Spender des Gedenksteins und Hauptredner der Einweihungsfeier, Otto Herbig, starb schon 1914. Seine Enkel, Urenkel und Ururenkel in Jena, Jessen, Waren, Würzburg und Zeuthen, in München, Taufkirchen, Berlin, Schanghai, Puerto Montt und Germering erinnern an seine besondere Rolle bei der Notlandung des Luftschiffes Z III, zugleich aber auch an seine unternehmerische Leistung. Die Bevölkerung nahm den Gedenkstein an und vergaß das große Ereignis nicht.

Kleine Kabbeleien

Wie beziehungsreich der neue Name einer gepflegten Bülziger Verkehrsachse: "Graf-Zeppelin-Straße"! Wie sinnvoll, dass die Sportvereinigung Abtsdorf den Ehrennamen "SV Graf Zeppelin 09" angenommen hat. Damals, vor 100 Jahren, hatte es nach der Notlandung zwischen Bülzigern und Abtsdorfern kleine Kabbeleien, kleine Eifersüchteleien um den "Anspruch" auf die großen Zeppelin gegeben, und der damalige Verwalter des Abtsdorfer Gutes M. wollte sogar einige Arbeiter überreden, den umgekippten Leiterwagen, an dem Z III vertäut wurde, auf Abtsdorfer Flur einzugraben.

Heute können wir darüber nur lächeln und froh sein, dass in Abtsdorf so Vieles und Attraktives zur Pflege des gemeinsamen historischen Erbes getan wird. Von Ortsbürgermeister Deeken erfuhren wir, dass an den bevorstehenden Festtagen viele interessante Aktivitäten vorgesehen sind. Es wird ein Festzelt errichtet werden, in dem auch eine Ausstellung zum Ereignis der Notlandung gestaltet werden wird. Eine Festschrift wird erscheinen. Die Ausstellung und die Festschrift werden den Besuchern Dokumente zeigen, die bisher vor Ort noch nicht bekannt waren.

Ausstellungen zur örtlichen Zeppelingeschichte werden im Vereinshaus des SV Graf Zeppelin 09, in der Grundschule und am Amtssitz des Ortsbürgermeisters aufgebaut werden. Ein großer Festumzug wird am Zeppelin-Denkmal beginnen. Und weil die ehrgeizigen Bemühungen der Organisatoren offenbar Erfolg hatten, wird in der Nähe des historischen Ereignisses von 1909 ein Zeppelin landen und zu Ballonfahrten einladen.