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Jagdunfall bei Hohenroda Jagdunfall bei Hohenroda: Retter sammeln Spenden für das Schussopfer

Von Michael Hübner 06.04.2018, 07:08
Die Notfallsanitäter Nicole Florack und Dominik Kallenbach sind mal nicht im Dienst. Privat engagieren sie sich für ein Unfallopfer.
Die Notfallsanitäter Nicole Florack und Dominik Kallenbach sind mal nicht im Dienst. Privat engagieren sie sich für ein Unfallopfer. Thomas Klitzsch

Hohenroda - Dominik Kallenbach kann witzig sein. „Ich hoffe nicht, dass wir uns dienstlich wieder sehen“, sagt der Mann, der mit seiner Kollegin Nicole Florack bei Katastrophen und Tragödien zum Einsatz kommt. Die beiden sind Notfallsanitäter.

Dem Duo, das zusammen bereits auf 20 Dienstjahre zurückblicken kann, geht trotzdem so manche Geschichte noch immer unter die Haut. Dazu gehört auch die von Wolfgang M. Für ihren ehemaligen Patienten haben die Notfallsanitäter als Privatpersonen in den sozialen Medien eine „Spendenaktion“ gestartet.

Kennengelernt haben sie den 63-Jährigen eben bei einem Einsatz. Die Notfallsanitäter treffen als Erste am Ort der Tragödie ein. Der Traktorist wird bei seiner Arbeit an einem Feld bei Hohenroda vom Schuss eines Jägers in den Fuß getroffen. „Meine erste Schusswunde“, so Florack.

Mit ihrem Kollegen transportiert sie den Schwerverletzten in den Rettungswagen. Das große Kaliber eines Jagdgewehrs hat den Fuß ab Sprunggelenk total zerfetzt. Die stark blutende Wunde muss versorgt, der Kreislauf stabilisiert werden. „Der Mann stand unter Schock, war aber ansprechbar“, erinnert sich Kallenbach.

Die Retter entscheiden sich: Das Opfer einer Drückjagd muss in eine Spezialklinik geflogen werden. Sie ordern einen Rettungshubschrauber.

Drei Jahre und 22 Operationen später entschließen sich die Notfallsanitäter, ihren ehemaligen Patienten privat zu besuchen. Der Mann empfängt seine Gäste mit einer Gehbank. „Er hat uns wieder erkannt, aber nicht sofort“, sagt Kallenbach. „Er hat seine Lebensqualität verloren“, so Florack. Der Mann könne sich „nur noch auf eine Ebene“ bewegen. In dem Mehrfamilienhaus sei nichts behindertengerecht - auch sein Auto nicht.

Der Mann klagt über Schmerzen und ist wegen seines steifen Fußes auf Gehhilfen angewiesen. Die Notfallsanitäter starten mit der Erlaubnis der Familie die Aktion „helpWolfgang“ in den sozialen Medien. Als Spendenziel wird die Summe von 15 001 Euro genannt. Das ist ein kräftiger Seitenhieb auf das deutsche Rechtssystem. Den Wolfgang M. ist nach dem unverschuldeten Unfall zum zweiten Mal zum Opfer geworden - und zwar dieses Mal der Justiz.

Bisher hat der Mann keinen einzigen Cent Entschädigung erhalten. Lediglich ein Richter hat als Vergleich eben 15 000 Euro angeboten. „Wolfgang soll mit dieser Summe abgespeist werden, das finde ich einfach ungerecht“, so Florack.

Das Problem ist, dass der Fall bisher weder durch die Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gerichte eindeutig gelöst werden konnte. Dabei liegen den Ermittlern am 15. September 2015 - das ist der rabenschwarze Tag - alle Fakten auf den Tisch. Es gibt einen Tatverdächtigen, die Waffen und die Munition werden sicher gesellt. Es muss nur ein Puzzle zusammengesetzt werden.

Doch das wichtigste Teil verschwindet plötzlich spurlos. Die Patrone, die so viel menschliches Leid angerichtet hat, ist nicht mehr auffindbar. Und so gibt es keine ballistische Untersuchung und so kann das verhängnisvolle Geschoss keiner Waffe und damit keinem der Jäger zu geordnet werden. „Soll das alles Zufall sein? Aus diesem Grund und um etwas mehr Gerechtigkeit für die „Kleinen“ unter uns, bitte ich um eine Spende für Wolfgang“, schreibt Florack.

Der Aufruf ist erfolgreich. Stunden später sind 600 Euro eingesammelt. Und selbst wenn die 15 001 Euro nicht erreicht werden sollte, es gehe vor allem um die moralische Unterstützung. „Vielleicht kann ja Wolfgang mit seiner Frau und seiner Tochter von dem Geld Urlaub an der Ostsee machen“, so Florack.

Zur Hilfsaktion "helpWolfgang" geht es hier.

(mz)