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Internationaler Feiertag während Corona-Krise Internationaler Feiertag während Corona-Krise: Der 1. Mai wird virtuell

Von Annette Gens 30.04.2020, 07:19
Der Platz der Demokratie wird auch am Feiertag weitestgehend leer sein. Darüber spazieren ist erlaubt.
Der Platz der Demokratie wird auch am Feiertag weitestgehend leer sein. Darüber spazieren ist erlaubt. Alexander Baumbach

Wittenberg - Das Corona-Virus nimmt keine Rücksicht auf Traditionen. Luthers Hochzeit wird zum ersten Mal seit Jahren ins Wasser fallen und auch viele weitere Traditionsfeste der Region. Und nun wird auch der Internationale Feiertag der Werktätigen betroffen sein. In den vergangenen Jahren wurde der 1. Mai in Wittenberg stets auf dem Platz der Demokratie gefeiert. Bunte Buden waren aufgebaut worden. Gewerkschaften verteilten Informationsmaterial, es gab Tanz und Gesang. Und es gab kämpferische Reden. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Der Platz bleibt definitiv leer.

Historische Entscheidung

Der Internationale Feiertag wird zum ersten Mal in der Region digital gefeiert - völlig ohne Kundgebungen und Demonstrationen. Seit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Jahr 1949 fanden jährlich am 1. Mai Kundgebungen statt.

Die Ausbreitung des Coronavirus veranlasst die Gewerkschaften jedoch zu einer historisch einmaligen Entscheidung: 2020 werden die Veranstaltungen nicht auf den Straßen stattfinden, sondern im Internet, erklärt DGB-Regionsvorsitzender Johannes Krause.

Getreu seinem diesjährigen Motto „Solidarisch ist man nicht alleine“ plant der DGB ab 11 Uhr eine Live-Sendung auf seiner Website dgb.de, Facebook und YouTube. Das Programm befinde sich derzeit noch in der Vorbereitung, erklärt Krause. Geplant ist, dass auch Gewerkschaftsmitglieder aus Dessau, Wittenberg und Umgebung im Programm zu Wort kommen. Sie erklären, was für sie Solidarität in diesen Zeiten bedeutet, in denen ein Virus die Wirtschaft halb lahm legt und die Menschen eine kalte Dusche erwischt, weil sie in Kurzarbeit geschickt wurden.

Die Videos sind auf dem Weg in die Bundeszentrale des DGB, dem Ort der Ausstrahlung des Livestreams. In der mehrstündigen Ausstrahlung seien neben Reden und Gesprächen auch Musik und Comedians fest eingeplant. Das klingt nach einem bunten Strauß aus Politik und Unterhaltung.

Solidarität einfordern - für Johannes Krause und den DGB ist das in diesen Tagen absolut keine leere Worthülse. „Es gibt wirtschaftliche Verwerfungen. Deshalb haben wir in diesen Wochen eine verstärkte Nachfrage nach Rechtsberatungen“, schildert der DGB-Regionsvorsitzende. Die Situation vieler Arbeitnehmer sei vor allem im Handel und in der Ernährungswirtschaft prekär.

„Der Druck ist unwahrscheinlich groß“. Und die Fragen, welche Rechte die Werktätigen in der Branche jetzt haben vor dem Hintergrund der bundesdeutschen Verordnung zur Ausweitung der Arbeitszeit, seien in Dessau-Roßlau und Umgebung erheblich.

Die Covid-19-Arbeitszeitverordnung setzt das Arbeitszeitgesetz teilweise außer Kraft, es sieht laut Deutschem Gewerkschaftsbund für Tätigkeiten in der kritischen Infrastruktur unter anderem eine Ausweitung der Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden und die Verkürzung der Ruhezeiten auf bis zu neun Stunden vor. „Die Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichzeitiger Einschränkung der Ruhezeiten geht hart an die Grenze der Belastbarkeit“, so Krause.

Hinzu komme, dass nicht überall Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, meint er mit Blick auf die Ernährungsindustrie. Es sei unter den Betroffenen ein enormer Druck da. „Viele haben Angst, sich am Arbeitsplatz anzustecken, weil die Abstandsregelungen in einigen Fällen nicht eingehalten werden.“ Und es bestünden ebenfalls Ängste, eine Krankheit mit in die Familie zu nehmen.

Kämpfen für Kurzarbeiter

Die Gewerkschaften wissen außerdem, was für Betroffene Kurzarbeit bedeutet. Sie müssten mit 60 beziehungsweise 67 Prozent (mit Kind) ihres Gehaltes auskommen. „Wir kämpfen um eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes um 20 Prozent.“ Das Thema wurde am Donnerstag im Koalitionsausschuss des Bundestages besprochen. Die Forderungen der Gewerkschaft wurden nicht vollumfänglich erfüllt, es gab aber einen Kompromiss.

Danach zu feiern, während andere um ihre Rechte kämpfen, ist Krause nicht. Mit der Ausnahmesituation in diesem Jahr und der bundesweiten virtuellen Veranstaltung kann er sich deshalb anfreunden. Auch wenn die Situation historische Entscheidungen forderte, der DGB ist sicher: Im nächsten Jahr sind die Gewerkschafter wieder auf dem Platz der Demokratie. Zum 1. Mai.

››Livestream zum Tag der Arbeit unter www.dgb.de/erstermai(mz)