Höhenretter in Ferropolis Höhenretter in Ferropolis: Asse aus der Asse

Gräfenhainichen - Wer unter Tage bestehen möchte, muss manchmal hoch hinaus. „Das ist kein Widerspruch. Das ist normal“, sagt Matthias Heydorn. Er ist einer von zehn Höhenrettern, die zur Grubenwehr der niedersächsischen Schachtanlage Asse gehören. Die trainierten jetzt in Ferropolis den Ernstfall.
Unter Baggern ist Platz. Vor allen Dingen herrscht Ruhe. „Hier können wir ungestört üben. Das ist ganz anders als bei uns im Schacht zwischen den Schichten. Da kommt immer was dazwischen“, erzählt Heydorn und bricht eine Lanze für die Baggerstadt vor den Toren Gräfenhainichens. Logisch. Die stählernen Riesen aus Bergbauzeiten hätten zu Hause im alten Salzbergwerk keinen Platz. „Aber sie bieten uns zum Üben einfach perfekte Möglichkeiten“, ist Heydorn überzeugt.
Höhenrettung unter Tage klingt ungewöhnlich. Für Fachleute wie Heydorn oder Hartmut Reime ist es das allerdings nicht. Die Logik kommt ins Spiel. Wer unter Tage in Not gerät, muss zum nächstmöglichen Förderschacht transportiert werden. „Mal liegt der Zugang unten, mal oben.“ Die Bergleute lassen deshalb keine Übung aus. Gleichwohl sie hoffen, so wenig wie möglich zum Ernstfall gerufen zu werden.
Hartmut Reime mimt den Verunfallten. Er wird in der Trage fixiert. Sebastian Lorenz hat die Übersicht. Er hält die Trage in der Waage, bedient die gerade von der Wehr angeschaffte und ferngesteuerte Elektrowinde. Technik hilft, muss aber auch verstanden werden. Bevor Retter und Verunfallter die Reise in luftige Höhen antreten konnten, wurde jeder Handgriff durchgesprochen.
Die Schachtanlage Asse ist ein ehemaliges Salzbergwerk nahe dem niedersächsischen Wolfenbüttel. Nach Einstellung des regulären Betriebs wurde hier bis Ende der 1970er Jahre die Endlagerung radioaktiver Abfälle praktiziert. Weil es zunehmend Zweifel an der Sicherheit der Grube gab und zudem mehrfach radioaktiv belastete Salzlauge festgestellt worden war, fasste der Bundestag im Jahr 2013 den Beschluss zur Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Grube. Die Kosten dafür werden auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. Die Grubenwehr der Asse zählt derzeit 26 Mitglieder. Zehn von ihnen sind ausgebildete Höhenretter. (mz/ur)
Vieles gleicht sich, manches ist neu. „Deshalb sind Übungen wie hier in Ferropolis auch so wichtig. Das andere Umfeld ist ein Anreiz und eine Herausforderung. Zu Hause in der Asse kennt man alles aus dem Effeff. Hier ist fast jede Situation neu“, merkt Matthias Heydorn an.
Tatsächlich ist die Reise seiner Kameraden in den Bauch des Baggers eine knifflige Angelegenheit. Beide müssen durch ein Gewirr von Stahlstreben. Die Winde arbeitet, wird gestoppt. „Frei.“ Mit ein paar Handgriffen hat Sebastian Lorenz die Trage durch ein weiteres Nadelöhr gelenkt. Es geht voran. Ein paar Meter noch, dann ist die Rettung geglückt. Hartmut Reime hat wieder festen Boden unter den Füßen.
Es ist Zeit für den Blick in die Runde. Ferropolis mit seinen Baggern ist ein besonderer Ort. „Das ist schon beeindruckend hier“, meint der Mann aus Niedersachsen. Dass er mit den anderen Höhenrettern in der Stadt aus Eisen trainiert, ist kein Zufall. Bergleute kennen sich und finden schnell den Draht zueinander.
„Ich habe den Jungs gesagt, dass sie hier bestens üben können“, erzählt Hartmut Gawollek. Der Ex-Bergmann aus Gräfenhainichen kann nicht aus seiner Haut. Er rührt stets und ständig die Werbetrommel für die Region und führt Besucher durch die Baggerstadt. Irgendwann lernte er die Kumpel aus der Asse kennen.
Man reichte sich die Hand und wagte das Experiment Höhenrettung unter Baggern. 2013 wurde Premiere gefeiert. Die Niedersachsen waren begeistert von den Möglichkeiten in Ferropolis und von Gawolleks Gastfreundschaft. „Erfahrungsaustausch mit Hartmut“, nennen sie das Abendprogramm. (mz)