Hobby Hobby : Rentner aus Wittenberg sammelt dubiose Sendungen

Wittenberg - Briefe, Briefe, nichts als Briefe. Ihre Poststempel zeugen davon, dass sie mitunter einen weiten Weg hinter sich haben. Australien, Hongkong, Samoa, China, Kanada, Spanien, England und Finnland sind nur einige der Herkunftsländer, aus denen die Zuschriften verschickt wurden.
Insgesamt zirka 2.200 Stück umfasst die Sammlung, die Alfred Lorenz innerhalb der letzten zwei Jahre zusammengetragen hat. „Übereinandergelegt würden die Briefe einen Stapel mit der Höhe von zwei Metern und 40 Zentimetern ergeben“, erzählt der Sammler. Dabei hatte der rüstige Rentner eigentlich nie vor, sich einem solch ausgefallenen Hobby zu verschreiben.
Alfred Lorenz absolviert eine Bäckerlehre
1933 geboren, absolvierte er nach erfolgreichem Abschluss der Volksschule zunächst eine Lehre als Bäcker. Jedoch nicht in die Backstube, sondern in die zu jener Zeit doch recht begrenzte weite Welt zog es den damals jungen Mann. Zuerst als Heizer, dann als Lokführer befuhr er 33 Jahre lang das Schienennetz der „Deutschen Reichsbahn“ in der DDR.
Gesundheitliche Gründe setzten dieser Tätigkeit 1992 ein Ende. Alfred Lorenz ging in den Ruhestand. „Als Rentner habe ich viel Zeit. Vor drei Jahren begann es damit, dass ich binnen weniger Wochen über 60 Mal Post von allen möglichen Wahrsagern erhielt. Da ich mit diesen Leuten nichts am Hut habe, wanderten diese Briefe zunächst umgehend in den Papierkorb“, erinnert sich das Wittenberger Urgestein.
Woher diese Flut an Schreiben plötzlich kam, kann sich Lorenz bis heute nicht so recht erklären. Wie er vermutet, lag es daran, dass er leidenschaftlicher Teilnehmer an Preisausschreiben und aktiver Lottospieler ist. „Da haben einige der Gewinnspielfirmen wahrscheinlich meine Adresse weiterverkauft“, mutmaßt der Rentner.
Schließlich flatterten zunehmend Schriftstücke in seine Wohnung, deren Inhalt dubiose Gewinnversprechen waren. „Jetzt begann mir die Sache langsam Spaß zu machen und ich beschloss, diese Zuschriften zu sammeln. Auch jetzt noch quillt mein Briefkasten manchmal über. Erst vor wenigen Tagen waren es 18 Briefe auf einmal, die ich mit einer einzigen Sendung erhielt“, veranschaulicht Lorenz den Umfang seines Posteingangs.
Die Anfänge des Verfassens von Briefen gehen auf die Babylonier zurück, die Nachrichten in Tontafeln ritzten. Im alten Ägypten dienten Papyri als Schriftträger. Im antiken Rom benutze man mit Wachs beschichtete Tafeln aus Holz. Der Zweck des Briefes als Mittel zur Äußerung und Übermittlung und/oder Verbreitung von Nachrichten hat sich bis heute nicht geändert. Bereits in der frühen Neuzeit entwickelte sich der Brief auch zum Sammelobjekt. In den Geisteswissenschaften werden diesbezüglich relevante Schriftstücke nach historischen, literaturwissenschaftlichen und kulturwissenschaftlichen Aspekten untersucht. Ein Pionier der deutschen Briefforschung war der Bibliothekar Georg Steinhausen (1866 – 1933). (mz/abx)
Der Rentner begann, all diese Benachrichtigungen fein säuberlich per Hand aufzulisten und bekam so einen Überblick über deren Herkunftsstaaten. „Auffällig ist, dass die Briefe ausnahmslos aus dem Ausland kommen. Es ist nicht selten, dass ich, um in den Besitz meines angeblichen Gewinnes zu gelangen, erst einmal Geld überweisen soll“.
Zum Beweis legt Alfred Lorenz ein Schreiben aus Budapest vor. Wie so oft heißt es auch darin: „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben gewonnen!“ Der als Voraussetzung für den Gewinn zunächst eingeforderte Betrag sollte jedoch nicht nach Ungarn, sondern in die Schweiz überwiesen werden.
„Schon allein daran erkennt man doch, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen kann“, so das Urteil des Sammlers. In diesem Zusammenhang verweist er auf einen weiteren Aspekt: „Wenn man nicht aufpasst und sich auf so etwas einlässt, kann man auch ganz schnell in eine Abo-Falle geraten“.
Es steckt viel Betrug dahinter
Lorenz begnügt sich daher mit dem Sammeln der Schriftstücke und vermeidet, bis auf wenige Ausnahmen, jegliche Korrespondenz mit seinen „Briefpartnern“. Lediglich mit einer Firma im fernen Australien hält er regelmäßigen Kontakt. Seiner Leidenschaft als Lottospieler geschuldet, beteiligt er sich dort an einer Lotterie.
„Obwohl mir neulich 15 Euro zugeschickt wurden, habe ich noch nicht viel gewonnen. Die Ausgaben und Einnahmen halten sich halbwegs die Waage“, berichtet der Rentner. Ansonsten rät Alfred Lorenz davon ab, sich auf den Inhalt derlei Mitteilungen einzulassen. „Es gibt leider sehr viel Betrug auf der Welt“, so sein Resümee. (mz)