Heimatgeschichte im Landkreis Wittenberg Heimatgeschichte im Landkreis Wittenberg: Vor 100 Jahren in der Zeitung
Wittenberg - Dass im Westen Europas noch immer der Krieg tobte, konnten die Wittenberger im Mai 1918 nicht nur den Zeitungen entnehmen, die sie täglich auf dem Laufenden hielten. Auch das Gefangenenlager in Kleinwittenberg sowie die Lazarette erinnerten sie daran.
„Die zuletzt hier angekommenen feindlichen Verwundeten - vor allem die Engländer - waren zumeist junge Leute, die auch viel weniger gut gekleidet waren, als ihre Vorgänger“, hieß es am 3. Mai in der Wittenberger Allgemeinen Zeitung. „Ihre Stimmung war recht niedergedrückt, und das übertrug sich auch auf die zu ihrem Abtransport kommandierten Engländer.“
Kontrolle aus der Schweiz
„Eine Abordnung schweizerischer Offiziere weilte in unserer Stadt und begab sich nach dem Gefangenenlager bei Kleinwittenberg, um dieses mit allen seinen Einrichtungen auf das eingehendste zu besichtigen“, vermeldete das Wittenberger Tageblatt am 8. Mai über den Besuch zwei Tage zuvor.
Ein Ergebnis wurde nicht bekannt. Eine gute Nachricht verkündete die Allgemeine am 19. Mai aus Kemberg: „Aus russischer Gefangenschaft ist der Musketier Hermann Krüger bei seinen Angehörigen hier eingetroffen. Seit Herbst 1915 befand sich derselbe in der Ukraine.“
Viel mehr zu schaffen als Kämpfe und Gefangene machte den Menschen in der Region die Nahrungsmittelknappheit. Täglich berichten die Blätter von Diebstählen, so auch die Allgemeine am 4. Mai: „Seegrehna. Auf dem zur Domäne Bleesern gehörigen Vorwerk Klitzschena wurden dem Schafmeister Pietschke in dessen Abwesenheit eine größere Anzahl Hühner gestohlen. Ueber den Dieb hat sich noch nichts ermitteln lassen.“
Zwei Tageszeitungen können für die Zeit vor hundert Jahren in Wittenberg und Umgebung ausgewertet werden. Dies sind das Wittenberger Tageblatt, das neben seiner Funktion als Tageszeitung auch amtlicher Anzeiger ist, und die Wittenberger Allgemeine Zeitung. Einsehen kann man beide Zeitungen im Ratsarchiv der Stadt Wittenberg, Juristenstraße 16. Dieses ist geöffnet dienstags, mittwochs, samstags und sonntags von 9 bis 12 und 13 bis 17 Uhr.
Eine Anmeldung unter Telefon 03491/5051850 wird empfohlen.
Das Reformationsjubiläum hallte nach in der Ausgabe des Reformationsgedenktalers, der in der Königlich Sächsischen Münze geprägt und der Anfang Mai ausgegeben wurde. Sie „müssen als kleine Meisterwerke der Prägekunst bezeichnet werden“, befand die Allgemeine Zeitung am 5. Mai. Statt eines Bildnisses von Luther ziert ein solches von Kurfürst Friedrich des Weisen den Taler.
„Da mit Rücksicht auf den Mangel an Edelmetall nur hundert Stück geprägt wurden, wird die Münze ohne Zweifel einmal einen bedeutenden Seltenheitswert besitzen.“
Die Ende Oktober 1917 eröffneten neuen Sammlungen im Refektorium der Lutherhalle waren ab Mai 1918 „nun auch wirklich der öffentlichen Besichtigung zugänglich geworden. Das Fehlen jeder Heizungsmöglichkeit der großen Räume, das dadurch mitbedingte Fehlen des Aufsichtspersonals verbot sie im Winter“, so das Tageblatt am 11. Mai.
„Jetzt ist sie wenigstens für die Nachmittage der Sonn- und Wochentage (ausgenommen Freitags) ermöglicht. Und sie ist aufs dringendste jedem Besucher Wittenbergs anzuraten, ja sie lohnt allein eine Reise in die alte Lutherstadt.“
Ein ungewöhnliches Erlebnis in Kriegszeiten wartete während der Pfingstfeiertage auf Besucher. „Auf dem Marktplatz Klein-Wittenberg gibt Sonnabend, Sonntag und Montag der Zelt-Zirkus Brumbach, auf der Durchreise begriffen, einige Vorstellungen“, kündigt das Tageblatt am 17. Mai an.
In der Anzeige wird geworben: „Auftreten von Künstlern und Künstlerinnen in allen verschiedensten Leistungen. Prächtiges Pferde- und Tiermaterial. Verwegene Reiter und Reiterinnen. Die tollsten Clowns und Auguste.“
Gewitter mit Hagel richteten am Pfingstsonntag in und um Wittenberg einige Schäden an. Ein Blitz, so das Tageblatt, traf am Nachmittag die Scheune des Kossäten Gottfried Eckert in Seegrehna. „In kurzer Zeit stand dieselbe in hellen Flammen. Schnell eilten die Ortsbewohner zu tatkräftiger Hilfeleistung herbei. Trotzdem die jetzige freiwillige Feuerwehr von alten, meist ergrauten Männern zusammen gestellt ist, war dieselbe doch in kurzer Zeit mit der Feuerspritze an der Brandstätte. Durch die ruhige Anordnung unseres Gemeindevorstehers, die aller Kopflosigkeit Einhalt bot, wurden alle Hilfskräfte an rechter Stelle eingesetzt, sodaß das Feuer auf seinen Herd beschränkt wurde.“
Mit Ehrenzeichen in Ruhestand
Zwei Jubiläen im Mai wurden in den Zeitungen hervorgehoben. „Im Kindergarten, Lutherstraße 49, konnte am 1. Mai die Leiterin desselben, Fräulein Helene Schmiedel, auf eine 30jährige Tätigkeit als Kindergärtnerin zurückblicken“, schrieb das Tageblatt am 2. Mai. Zunächst war sie Leiterin des Privatkindergartens in Wittenberg, seit Oktober 1913 leitete sie den Kindergarten in der Lutherstraße.
In Bad Schmiedeberg erhielt Oberpostschaffner Donnepp, nach fast 40-jähriger Tätigkeit im Postdienst, das Allgemeine Ehrenzeichen verliehen. Er trete nun in den Ruhestand, vermeldete die Wittenberger Allgemeine am 1. Mai. (mz)