Gräfenhainichen Gräfenhainichen: Leben mit der Landwirtschaft

Gräfenhainichen - Der Tagesablauf ist klar geregelt im Hause Biermann. Gefrühstückt wird gemeinsam. Der Blick in die Zeitung gehört dazu. „Da werden meine Eltern aber staunen und vielleicht auch sagen, dass soviel Aufmerksamkeit gar nicht sein muss“, sagt Doreen Biermann. Die Gräfenhainichenerin zieht sprichwörtlich den Hut vor ihren Eltern.
Heidemarie und Georg Biermann sind heute auf den Tag genau seit 25 Jahren in Sachen Landwirtschaft auf eigene Rechnung unterwegs. „Das ist für mich eine große Leistung. Das sage ich nicht nur, weil es meine Eltern sind.“ Doreen Biermann will mit dem besonderen Zeitungsgruß überraschen. Vielleicht auch wachrütteln, weil die Landwirte im Ortsteil Buchholz gar nicht daran denken werden, dass sie vor einem Vierteljahrhundert die Tür zu einer neuen Welt weit aufgestoßen haben.
Im Jahr 1991 boomten die Neugründungen in Gräfenhainichen. Laut der städtischen Gewerbeliste haben sich 16 Unternehmer am Markt behauptet. Heute genau vor 25 Jahren wagten die Biermanns den Sprung in die Selbstständigkeit genau wie Heinz Hänsch mit seinem Elektrofachgeschäft. Die Köhlerei am Eisenhammer besteht am 1. April 25 Jahre. Solche Jubiläen feiern der Friseursalon „Struwwelpeter“ und das Stadtcafé. Besonders stark ist der Einzelhandel vertreten. Und die Jungunternehmer von einst setzten auf Vielfalt. Es entstanden zwei neue Autohäuser. Blumenhändler und Korbmacher gingen an den Start. Aber auch Handwerker bieten seit 25 Jahren ihre Dienstleistungen an: Heizungs- und Sanitärinstallationen und Einbau von genormten Baufertigteilen. Ingenieurs- und Maklerbüros und Versicherungsvertreter gingen an den Start.
Neu war am 1. März 1991 nicht das Thema Landwirtschaft. Die hat den mittlerweile 72-jährigen Georg Biermann sein ganzes Leben begleitet. Der gebürtige Schleesener wuchs umgeben von Landwirtschaft auf, arbeitete später in einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). Heidemarie Biermann (66) war Elektrotechnikerin und qualifizierte sich später im Fernstudium zur Agraringenieurin. Es lief in der LPG, bis die Wende so ziemlich alles auf den Kopf stellte.
Angestellt arbeiten oder selbst durchstarten? Das war die Frage im Hause Biermann. Das Ehepaar entschied, auf eigener Scholle sein Glück zu suchen. Georg Biermann wurde Einzellandwirt, seine Frau war und blieb die mithelfende Ehefrau. Das Zwei-Leute-Unternehmen nahm Fahrt auf.
„Es war nicht einfach“, erinnert sich Tochter Doreen an die Anfänge. Mehr als 100 Hektar Land wollten beackert sein. Das brauchte neben Erfahrung auch jede Menge Technik. „Was waren meine Eltern stolz, als der erste Traktor und dann noch der Mähdrescher angeschafft werden konnten.“ Das erwachsene Kind strahlt. „Ja, das hat uns alle begeistert.“
Getreide ist das Metier der Biermanns. Rund um Buchholz wird angebaut, gepflegt, geerntet. Das ist kein Zufall. In Buchholz wohnt das Ehepaar, vom heimischen Hof sollten Flächen gut einsehbar und deshalb kaum mehr als den sprichwörtlichen Steinwurf entfernt sein. Nur das machte es möglich, den Traum von der eigenen Landwirtschaft 25 Jahre lang zu leben. Alles musste Hand in Hand funktionieren. Mann und Frau arbeiten miteinander. Georg Biermann ist der offizielle Chef im Ring. Als Geschäftsführer sitzt er aber auch am Steuer des Mähdreschers und ist Erntekapitän. Heidemarie Biermann ist auf Achse. Sie verkörpert die hausinterne Spedition. Sie erledigt, besorgt, liefert und steht im Kontakt mit dem Agrarhandel in Rackith. Verlässliche Partner machen Landwirtschaft möglich.
Alles in bester Ordnung? Doreen Biermann glaubt, dass ihre Eltern die Entscheidung für die eigene Scholle nicht bereuen. „Obwohl es ein wirklich harter Job ist.“ Selbst hat sie beruflich ganz andere Wege eingeschlagen.
„Aber mal mithelfen, alles als Hobby angehen: Das kann ich mir schon vorstellen.“ Landwirtschaft gehört auch zum Leben der Tochter dazu.
