Gohrauer Fleischerei Gohrauer Fleischerei : Familienbetrieb ist auf Kurs geblieben

Gohrau/Vockerode/MZ - Brunhild Huth ist zufrieden. Besonders für ältere Leute sei es wichtig, dass sie auch in ihrem Heimatort einkaufen könnten, sagt sie. Fleisch- und Wurstwaren beispielsweise. Man wolle doch nicht alle Besorgungen auf die Kinder abwälzen. Nach Vockerode, wo die 76-Jährige lebt, liefert die Fleischerei Wildgrube aus Gohrau alles Nötige. Markus Wildgrube (39) steuert den Verkaufswagen und bringt die Produkte des Familienbetriebes, in dem noch selbst geschlachtet wird, aufs Land. Dorthin, wo etliche Verkaufsstellen ihre Pforten im Lauf der Zeit für immer geschlossen haben.
In Vockerode sind er oder seine Kollegin Erika Griego an vier Tagen in der Woche immer vormittags anzutreffen. Mit dabei haben sie dann auch Brot aus dem Steinbackofen der Gohrauer Bäckerei. Erika Duschek ist zufrieden mit diesem Angebot. Seit vielen Jahren kaufe sie hier, sagt die 74-jährige Vockeroderin. „Wir sind froh, dass sie kommen. Sie sind für uns da und die Einzigen, die uns immer treu geblieben sind“, ergänzt die 73-jährige Annelore Jande. Dann nimmt sie zufrieden den Einkauf und geht ihrer Wege.
Treue Kunden
Markus Wildgrube wartet indes auf die nächsten Kunden. Viele kennt er mit Namen, oft weiß er schon, was gewünscht wird. Vielleicht Kümmelschinken, der eine Eigenentwicklung ist und den kein anderer anbietet? Oder Kirschwassersalami? Egal. Bruder Andreas (41), Vater Gottfried Wildgrube (66) und auch Andreas Voigt haben wie immer dafür gesorgt, dass alle Produkte vorrätig sind. 95 Prozent davon kommen aus eigener Herstellung, der Rest ist Handelsware.
Immer montags wird in Gohrau geschlachtet. Dort und in Wörlitz betreiben die drei Fleischer unterstützt von der Familie und ihren Mitarbeitern eine Verkaufsstelle. Eine weitere in Vockerode musste Mitte der 1990er Jahre geschlossen werden, da das Haus von der Gemeinde verkauft und später abgerissen wurde. Die Schlachttiere; Schafe, Rinder, Schweine; kommen allesamt aus der Region.
Dort liegt auch der Ursprung des Betriebes. In Rehsen haben die Vorfahren der heutigen Wildgrubes um 1890 angefangen, Fleisch und Wurst zu produzieren. Einer der Söhne des Firmengründers ging später nach Gohrau und betrieb dort eine Fleischerei, die dessen Sohn Paul, der Vater von Gottfried Wildgrube, übernahm. Bis 1957 war die Familie selbständig, dann wurde der Betrieb dem Konsum zugeschlagen, das Objekt verpachtet.
Gottfried Wildgrube indes lernte ab 1962 in der Konsumgenossenschaft das Fleischerhandwerk, besuchte später die Ingenieurschule für Fleischwirtschaft, wurde Produktionsleiter im Fleischverarbeitungsbetrieb des Konsums in Dessau. Bis zur Wende schließlich verdiente er sein Brot in der Horstdorfer Großküche. Am Standort Gohrau produzierten die Wildgrubes trotzdem weiter für die Genossenschaft, auch nachdem der Verkaufsladen 1978 seine Pforten geschlossen hatte.
Neustart ins Ungewisse
„Weihnachten 1990 haben wir uns dann entschieden, noch einmal neu anzufangen.“ Der Bedarf sei dagewesen, das Objekt ebenfalls, erinnert sich Gottfried Wildgrube, dem seine Frau im Ladengeschäft und bei der Buchhaltung bis zu ihrem frühen Tod zur Seite stand. 1991 war die Wiedereröffnung perfekt. Die beiden Söhne, sie hatten sich beruflich längst anderweitig orientiert, erlernten nun auch das Fleischerhandwerk, qualifizierten sich. „Bis 1996 haben wir einen Höhenflug erlebt“, sagt der 66-jährige Wildgrube.
Dann wurde es schwieriger. Der Straßenbau in Gohrau und Wörlitz habe die Kunden von den Verkaufsstellen abgeschnitten, BSE den Rindfleischverkauf wegbrechen lassen und auch die Jahrhundertflut von 2002 spülte das Unternehmen an den Rand der Abgrundes. Doch die Wildgrubes bewiesen Mut, machten nicht dicht. Heute habe sich die Lage stabilisiert. „Wir schlachten immer noch“, sagt Gottfried Wildgrube kurz und bündig.
