Geschichte in Göritz Geschichte in Göritz: Gustav Adolf reitet wieder ein

Göritz - 675 Jahre Dorfgeschichte in knappen 30 Minuten erzählt, das ist sportlich. Zum Glück ist Göritz keine Großstadt sondern ein Flämingdorf, zu Coswig gehörend und letzter Ort des Landkreises Wittenberg entlang der B 107, bevor ein paar Kilometer hinterm Ortsausgang Brandenburg beginnt. Seit der Ersterwähnung 1340 hielten sich die Aufsehen erregenden Ereignisse in Grenzen. Das macht es auch Siegfried Günther am Samstag in der Gustav-Adolf-Kirche des Dorfes leicht, Historie zu verknappen.
Mehr Publikum als Einwohner
Günther ist Rentner und Marionettenspieler, das Dorf hat ihn zum Feiern eingeladen. Zwei Tage, am Samstag und Sonntag, erinnert man mit Festivitäten an die Ortsgründung und zum Programm gehört auch „Eine kleine Geschichte von Göritz“, die der Mann aus Görzke in der Kirche aufführt. Doch vorerst verzögert sich der Beginn. Die Siegerehrung des Drei-Dörfer-Laufs muss noch abgewartet werden. An Siegfried Günthers Darstellern liegt es also nicht, dass es später los geht. Die hängen schon still und spielbereit an ihren Fäden hinter der Bühne und kommen schließlich zum Einsatz, als auch der letzte leere Platz im kleinen Kirchenschiff gefüllt ist.
Jetzt sitzen hier mehr Menschen als Göritz noch Einwohner hat. Vor allem viele junge Leute und Kinder sind mit dabei. Heimkehrer, die dem Ort den Rücken kehrten und nun zum Fest Eltern oder Großeltern besuchen. Auf um die 40 Leute schätzte Sernos Ortsbürgermeister Peter Nössler vor dem Jubiläum die Zahl der heutigen Bewohner. Seit 1950 gehört Göritz zum Nachbardorf Serno und kam mit diesem wiederum 2009 zu Coswig. Davon wird Harald Eberling noch erzählen. Zum zweiten Mal tritt der Mann als Partner von Siegfried Günther auf. Eberling ist der Erzähler, Günther der Spieler und ihm zur Seite steht Tochter Swenja. Das also sind die „Strippenzieher“, die mit zwei bis drei ähnlichen Auftritten im Jahr ihr Spiel als Hobby begreifen.
„Wenn ich davon leben müsste, würde ich untergehen“, sagt Günther. Auch Swenja Günther muss das nicht. Sie arbeitet im Berliner Zoo, Abteilung Huftiere. „Heute bin ich nur eingesprungen“, sagt sie. Dabei ist die junge Frau doch der Grund, dass aus Maschinenbauer Günther ein Marionettenbauer im Nebenberuf wurde.
Denn als die Tochter noch klein war, gab es für sie die erste Puppe an Fäden. „Ein Pumuckel“, sagt Swenja Günther. Nach vielen Jahren bei ihr ist der Prototyp, dem noch etliche weitere Marionetten folgten, wieder beim Schöpfer im Fundus angekommen. In Göritz hat der Kobold mit dem roten Schopf freilich nichts zu suchen. Im kleinen Flämingdorf ist er nicht nachweisbar.
Dafür aber doch der Schreiber, der 1340 die Urkunde zur Dorfgründung schrieb. Er tritt auf und danach noch Hexe und Mönch, ein französischer Koch und preußischer Adel, ein Dorffunktionär der Nachkriegszeit und Opa nebst Enkel in der heutigen Zeit. „Ich habe mir einige Szenen herausgegriffen und daraus fünf Sketche gemacht“, erklärt Siegfried Günther, die Zeit rundherum liest Harald Eberling vom Blatt. Recherchiert hat Günther für sein Textbuch im Internet und erfuhr auch im Gespräch mit den Bewohnern einiges über Göritz.
Größere Ereignisse aus der Region
Am Ende sind es dann aber doch die größeren Ereignisse der Region, die auch das kleine Dorf tangierten und von denen erzählt wird. Beispielsweise die Hexenverbrennungen und die Schlacht bei Hagelberg. Natürlich ist auch Schwedenkönig Gustav Adolf Thema, wohl die prominenteste Person, die Göritz nahe kam und an den der Schwedenstein erinnert, der vor 175 Jahren eingeweiht wurde. 10 000 Menschen sollen damals in einem Festumzug dorthin gezogen sein. Eine solche Ansammlung gab es seitdem nicht mehr in Göritz. Dass aber zum Jubiläum nebst Marionettenspiel, Festzelt, Feuerwehrübung und all den anderen Angeboten so viele Gäste kamen, ist für das Flämingdorf doch auch schon was. Ein kleiner Punker, wie er auf der Marionettenbühne auftritt, um zum Jubiläum seinen Göritzer Opa zu besuchen, wurde jedoch nicht gesichtet. (mz)

