Geschichte der Wittenberger Uni Geschichte der Wittenberger Uni: Eher ein "Trauertag"

Wittenberg - Verloren. Wittenberg hat keine Universität mehr. Die nach der Wende gegründete Stiftung Leucorea müht sich redlich, allein, universitäres Leben findet hier kaum mehr statt. Die Zeiten, da in den Mauern der Stadt eine der bedeutendsten Universitäten zu finden war und namhafte Gelehrte unterrichtet haben, sind vorbei.
Wie gering die Rolle Wittenbergs inzwischen ist, wurde einmal mehr deutlich bei der Festwoche anlässlich der Vereinigung der Universitäten Halle und Wittenberg im Juni vor 200 Jahren.
Keine einzige Veranstaltung fand in der Lutherstadt statt. Für wenig Verständnis sorgen in Wittenberg überdies Äußerungen des Rektors Udo Sträter, der den Fakt damit begründete, man habe die Festwoche „kompakt halten“ und die Uni an ihrem heutigen Standort mit aktuellen Themen präsentieren wollen. Mit dem Oberbürgermeister und dem Ältestenrat sei das abgesprochen.
„Daran kann ich mich nicht erinnern“, reagiert Sozialdemokrat Reinhard Rauschning verschnupft: „Wir waren schon sehr überrascht, es hieß mal, wenigstens eine Veranstaltung der Festwoche sollte in Wittenberg stattfinden. Ich finde traurig, wie das gelaufen ist.“
Wenigstens ein Signal der Hallenser darüber hinaus, dass Wittenberg noch im Namen der Uni auftaucht, wäre schön gewesen. Meint auch Stefan Kretschmar (Freie Wähler): „Ich bin enttäuscht.“ Es hätte nicht zuletzt dem Hauptstandort gut getan, ein Highlight in Wittenberg zu setzen: „Mein Traum ist, dass in Wittenberg wieder mehr Universität stattfindet als bisher. Und wir wünschen uns dabei mehr Unterstützung aus Halle.“
Dass die Vereinigung der Universitäten vor 200 Jahren für ihn kein Grund zum Feiern sei, sondern eher ein „Trauertag“, erklärt Horst Dübner (Linke). Darüber hinaus könnte ein solcher Termin Anlass sein, über die Weiterentwicklung der Leucorea nachzudenken.
Dass es da „mehr Fragen als Antworten gibt“, sagt Dübner ausdrücklich. Offen sei, wie es mit der Förderung nach 2018 weitergehe. „Ich bin in Sorge“, so der Stadtrat. Das Land habe signalisiert, eine weitere Förderung hänge davon ab, wie sich die Leucorea zu profilieren vermag.
Dübner bemerkt noch, dass er seine ursprüngliche Zusage, am Festakt in Halle teilzunehmen, zurückgezogen habe. „Ich wollte dort nicht den nützlichen Idioten machen.“
Teilgenommen hat hingegen Oberbürgermeister Torsten Zugehör. Er mahnte unter anderem: „Martin Luther allein reicht nicht für Wittenberg“. Die Leucorea wäre ein guter Standort, Melanchthon „aus dem Schatten Luthers treten zu lassen“.
Dass er emotionale Reaktionen angesichts des Fehlens Wittenbergs bei der Festwoche nachvollziehen könne, räumt er ein: „Man kann das kritisch sehen. Aber wir wollen die Leucorea mit Leben erfüllen. Da bringt es nichts, aufzustampfen und zu schmollen. Man muss das Gespräch suchen.“
Unterdessen weist Andreas Wurda, der Leiter der Städtischen Sammlungen, darauf hin, dass zwar tatsächlich vor 200 Jahren kriegsbedingt furchtbare Zustände herrschten in Wittenberg und die Not nicht zuletzt für die Universität groß war, die Professorenschaft die Uni als „selbstständigen Körper“ aber erhalten wollte - notfalls an anderem Ort.
Es habe im Mai 1817 noch ein Gesuch des Rates an den preußischen König gegeben, die Uni wiederherzustellen. Was der ablehnte. In der Stadt herrschte „Schmerz und Betrübnis“ über die Auflösung der Uni. Später gab es mehrfach Initiativen, sie in Wittenberg zu reaktivieren. (mz)