Gastronomie in Wittenberg Gastronomie in Wittenberg: Köstliches vom Fleisch-Fan Jens Wiethe

Wittenberg - Jens Wiethe redet nicht um den heißen Brei herum: „Fleisch“, sagt der neue Küchenchef im Best Western Stadtpalais auf die Frage nach seiner Leibspeise: „Kann auch alleine auf dem Teller liegen.“ Wiethe ist ein kräftiger Mann mit tätowierten Armen, er kommt aus der zweiten wichtigen Lutherstadt im Land: aus Eisleben.
Dass es ihn nach Wittenberg verschlagen hat, ist eher Zufall, aber einer, den er gut findet: „Luther verbindet“, bemerkt der weitgereiste Koch, der mit seinen Leuten ein bisschen mehr Struktur in das kulinarische Angebot des Vier-Sterne-Hotels in bester Lage bringen soll.
Dass monatelang kein Küchenchef an Bord war, verschweigt Hotel-Direktor Alexander Reinhardt nicht: „Das Team in der Küche hat sich selbst organisiert.“ Das soll anders werden, Wiethes Auftrag lautet, eine zeitgemäße Küche zu etablieren, Trends aufzunehmen: „Das À-la-carte-Geschäft ist ausbaufähig“, schätzt der Hotelchef ein.
Geeignete Köche zu finden, ist schwer geworden, das wissen etliche Gastronomen in Wittenberg. Auch das Best Western würde noch einen Mann oder eine Frau am Herd einstellen. Die Ausschreibung zum Küchenchef allerdings bescherte dem Hotel zahlreiche Bewerbungen: „Das hat uns überrascht“, bekennt Reinhardt.
Zu den Bewerbern gehörte Wiethe, der genug hat vom unsteten Leben eines von Haus zu Haus, von Land zu Land ziehenden Kochs, der es mit Anfang 40 gerne ein bisschen sesshafter und ruhiger haben möchte.
Um gewappnet zu sein für das Reformationsjubiläum hat das Best Western Stadtpalais wie andere Häuser auch das Personal aufgestockt, auf nun 38 Mitarbeiter. Hotelchef Alexander Reinhardt geht davon aus, dass 2017 das beste Jahr wird, „dass das Haus gesehen hat“. Er rechnet mit bis zu zehn Prozent mehr Gästen und bis zu 15 Prozent mehr Umsatz. Allerdings ist die Belegung ohnehin sehr ordentlich, im vergangenen Jahr lag die Auslastung bei 65 Prozent, deutlich über dem Durchschnitt in Sachsen-Anhalt. Dass auch bei ihm die Preise angehoben wurden im Jubiläumsjahr, bestätigt der Hotelchef, der im Übrigen hofft, dass 2018 ebenfalls ein sehr gutes Jahr wird. Mit dem neuen Küchenchef will er auch anderes Publikum anziehen: „Neben den Hotelgästen sind auch Wittenberger und Touristen, die nicht bei uns wohnen gern gesehen.“
„Anfangs war es extrem, ich hatte Sechs-Monats-Phasen.“ Saisonarbeit mal in Österreich, mal an der Küste. Immer wieder neue Inspiration, immer Gelegenheit, eine andere Art und Weise der Zubereitung von Speisen, der Organisation einer Küche kennenzulernen. Überhaupt: Aus dem Lernen kommt man nicht raus bei diesem Job.
Manchmal blieb Wiethe, der Mann aus einem Dorf bei Eisleben, der mit Garten und Hühnern und Schweinen groß geworden ist, auch länger. Nach der Lehre mit typisch deftiger Mansfelder Kost etwa ging er nach Zirndorf bei Nürnberg. Eine Art Kulturschock: „Ich habe gemerkt, es lässt sich ganz anders kochen. Wir haben alles selber eingekauft und frisch zubereitet - bis hin zur Mayonnaise.“
Er war auf Teneriffa, als stellvertretender Küchenleiter: Viel Fisch gab es da, selbstverständlich frisch, am Hafen gekauft: „Wir mussten sehr früh aufstehen, gegen 6 Uhr war der alle.“
Auf Heimaturlaub lernte Jens Wiethe seine Frau kennen und begann sich umzusehen, wo er länger bleiben könnte. Er war dann noch in Leipzig in Barthels Hof, im Panorama-Hotel in Oberhof, in Kühlungsborn.
Jetzt also Wittenberg, im Jahr des Jubiläums. Dass der Fleischliebhaber nicht nur Fleisch auf der Speisekarte platziert, versteht sich. Es geht ihm nicht um sich, sondern um die Gäste: „Andere Menschen glücklich machen“, sagt er ohne Furcht vor zu viel Pathos, gefragt nach seiner Motivation beim Kochen.
Und was noch wichtig ist: die Freude am Experimentieren. Die Karte jedenfalls ist nicht lang, rund 20 Speisen samt Dessert, Suppen und Vorspeisen bietet sie. Ein bisschen regional (Möllensdorfer Saibling), ein bisschen international (kanarische Kartoffeln), ein bisschen vegetarisch (Sesam-Tofu).
Wert gelegt wird laut Wiethe auf frische Zubereitung, auf Zutaten aus der Region. Und auf eine Portion Geschichte. Das legendäre Luther-Mahl, einst mit Mühe und historischen Studien kreiert, ist nach wie vor zu haben und zunehmend ein Renner: rustikal und deftig mit Pastinakengemüse, Erbspüree, Schwein, Rind, Huhn und Apfel-Tartelletes.
Das Hotel beteiligt sich auch an der Aktion „Reformations-Teller“. Dabei geht es darum, von Mai bis September ein günstiges Angebot zum Festpreis im Programm zu haben: Im Best Western wird es mit Sauerkraut und Würstchen gefüllte Rouladen geben, dazu Kartoffel-Stampf. Das dürfte ein Essen nach dem Geschmack des Küchenchefs sein. (mz)