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Gastronomie  Gastronomie : Claudia Lehmann liebt es, besondere Torten zu fertigen.

Von Ilka Hillger 04.09.2016, 04:00
Claudia Lehmann mit einer ihrer eisigen Kreationen in ihrem Geschäft in Wittenberg.
Claudia Lehmann mit einer ihrer eisigen Kreationen in ihrem Geschäft in Wittenberg. Dix

Wittenberg - Immer die ewig gleichen Hochzeitstorten: drei Etagen, weiß, verziert mit Röschen und Ranken und obenauf aus Plastik ein Püppchenpaar. Geschmacklich vor allem eines: süß. Wie viel mehr macht da doch der zelebrierte Anschnitt Spaß, wenn das Messer durch einen Totenkopf gleitet und Hochzeitsgäste mal diesen oder jenen Buchstaben vom Spruch „Bis zum bitteren Ende“ abbekommen.

Der Kenner ahnt es: hier hat ein Paar zusammengefunden, das Fan der Toten Hosen ist. Den Musikgeschmack mit der Hochzeitstorte vereint hat Claudia Lehmann. Die 30-Jährige bringt seit gut einem Jahr jegliches Hobby, Berufe und Berufungen, Fan-Sein und allerlei Vorlieben mit Tortengenuss zusammen. In ihrem Eiscafé Schlosspavillon in Wittenberg entstehen längst nicht mehr nur die hochgeschätzten Eissorten.

„Eigentlich fing es mit einem guten Kunden an, der eine Prinzessinnentorte wünschte“, erzählt Claudia Lehmann. Drei Stunden, erinnert sie sich, habe die Anfertigung damals gedauert. Danach nahm die Mundpropaganda ihren Lauf und seitdem ist keine Woche vergangen, in der nicht einige Motivtorten den Schlosspavillon verlassen haben.

Stieleis, Riegel, Kugeleis, im Becher oder in der Waffel – im vergangenen Jahr schleckten die Deutschen 617 Millionen Liter Eis. Von den drei Bereichen des Speiseeismarktes im Land hält das industriell hergestellte Eis mit 504 Millionen Litern (81,6 Prozent) den größten Marktanteil. Den zweiten Bereich umfasst das gewerblich hergestellte Eis mit 98 Millionen Litern (15,9 Prozent). Eisdielen und einzelne Gastronomiebetriebe bereiten dieses traditionell zu. Der dritte Bereich bezieht sich auf das Softeis, das meist über Fast Food-Ketten und Automaten vertrieben wird. Der Umsatz lag bei 15 Millionen Liter (2,5 Prozent).

Wer aber glaubt, dass immer ein cremiger Mix aus Milch, Sahne, Butter und Zucker auf der Zunge schmilzt, wird enttäuscht: Immer häufiger ersetzen Hersteller Milchfett durch Palm- oder Kokosfett und Butteraroma, vor allem beim industriell hergestellten Eis.

Ein gutes Eis, so Claudia Lehmann, erkennt man vor allem an der Konsistenz. „Es ist nicht zu cremig, so dass man glaubt, es nach ein paar Schritten schon auf den Fingern zu haben“, sagt sie. Keine kräftigen Farben und Fruchtstücke im Eis seien Indiz für frische Ausgangsprodukte. „Man sollte auch mal fragen – und gerade bei Allergikern ist das wichtig -, was drin ist. Kommt dann keine Antwort, kann man auf eine Fertigmischung schließen“, rät die Wittenberger Eisdielen-Chefin. (mz/ihi)

Aus der Phase des Experimentierens ist die Wittenbergerin derweil längst heraus. Routine kann man ihre Kreativität an der Torte jedoch trotzdem nicht nennen, denn jede süße Bestellung sieht anders aus. Da trifft ein Minion auf Schokokuchen und erfüllt in dieser Kombination die Vorlieben eines kleinen Geburtstagskindes.

Für Michael, der Musik mag, wächst eine Gitarre aus dem Kuchen. Meister Yoda zückt das Laserschwert auf Simons Geburtstagstorte, und für Andy, den Dortmund-Fan, gibt es die süße Überraschung in schwarz-gelber Trikotform. „Nur bei einem Porsche auf der Torte kam ich mal ins Grübeln“, sagt Claudia Lehmann. Das plastische Modell sollte schließlich genauso schnittig werden wie das Original, das der Beschenkte fährt. „Da habe ich einige Zeit dran getüftelt“.

Beim Boden und den Füllungen muss die junge Wittenbergerin freilich nicht mehr lange überlegen. Kinder bevorzugen die Schokoteig-Variante oder gleich den Papageienkuchen, die Großen sind mit Biskuit zufrieden. Buttercreme kommt schon lange nicht mehr dazwischen. „Das gab es nur am Anfang, aber den meisten Leuten ist das heute viel zu schwer“, so die Tortenexpertin.

Also macht sie es nur noch fruchtig mit selbst angerührten Pürees, die inzwischen auch die Soßen für die Eisbecher im Schlosspavillon ergeben. Die industrielle Massenware hat Claudia Lehmann auch dort, wenige Monate nachdem sie 2011 das Café übernahm, ersetzt.

So setzt sie denn auch bei den Torten um, was die Eisliebhaber am ursprünglichen Sortiment im Schlosspavillon schätzen: Verzicht auf Fertigmischungen und -produkte. Denn dass nur ein solches Konzept in Wittenbergs reicher Eisdielenlandschaft Erfolg haben kann, war Lehmann schon bei der Geschäftseröffnung klar.

„Nur so konnte ich mich abheben und unterscheiden“, sagt sie. Fünf Jahre später weiß sie, dass ihr Weg richtig war, obwohl er mehr Arbeit macht. Allein drei Mitarbeiter arbeiten in der Eisproduktion und sind einen nicht unerheblichen Teil des Tages damit beschäftigt, das Obst für die fruchtigen Eissorten vorzubereiten.

Bekannt ist der Laden vor allem für ausgefallene Sorten. Das Gurken-Eis ist inzwischen zu einem Klassiker geworden, aber auch Gorgonzola findet seine Liebhaber, wenn es in der Auslage erscheint. „Nur Möhre und Erbse wollte keiner, als wir das mal angeboten haben“, so Claudia Lehmann. Nicht ohne etwas Schadenfreude erinnert sie sich auch an jenen Gast, der aus vier Kugeln Chili-Eis einen Milchshake bestellte. „Nachdem er ausgetrunken hatte, blieb er lange Zeit ganz still sitzen. Aber er hat es tapfer durchgestanden.“

Solche Extreme können derzeit nicht passieren. In diesem Jahr sind Zitrone-Ingwer und Sesam-Honig neu im Programm, angekündigt wird schon mal saurer Apfel. Seit die Eis-Konditorin selbst eine Dogge besitzt, hat sie auch die Hunde-Eis-Palette erweitert. Pferd-Karotte, Kaninchen-Himbeere, Erdbeer-Ente und Rind-Banane finden ihre Abnehmer und selbst für den laktose-intoleranten Hund – den gibt es wirklich – ist was dabei.

Claudia Lehmann hingegen wird bei Schwarzer Johannisbeere schwach und sie testet selbstverständlich immer und überall die besonderen Sorten der Konkurrenz. Für ein paar Tage hatte sie jüngst beim Ausflug nach Wien dazu Gelegenheit. Dort nahm sich eine kleine Auszeit kurz vor der nächsten großen Herausforderung, dem Schulanfang mit vielen Tortenwünschen. „Da habe ich eine Woche vorher mit den Eistorten und dann mit den Motivtorten begonnen.“ 26 süße Projekte entstanden in 32 Arbeitsstunden. Kein Anlass also, der sich nicht mit einer Torte feiern ließe. (mz)