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"Fragt heute!" "Fragt heute!": Schüler begrüßen Holocaust-Überlebende zur Fragerunde

Von Andreas Benedix 15.05.2017, 12:56
Wacher Blick. Halina Birenbaum vor Schülern des LCG
Wacher Blick. Halina Birenbaum vor Schülern des LCG Thomas Klitzsch

Lutherstadt Wittenberg - „Fragt heute!“, so lautete der Titel eines durch die Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt auf den Weg gebrachten Zeitzeugenprojektes, dessen Auftaktveranstaltung am Freitag im Lucas-Cranach-Gymnasium (LCG) Wittenberg die Schüler der 11. Klassen in seinen Bann zieht.

Wie Cornelia Habisch, Geschäftsführerin des federführenden Netzwerks für Demokratie und Toleranz erläutert, geht es um die Begegnung von Opfern des Holocaust mit jungen Leuten, deren Wissen über die Gräueltaten der Nazis erweitert werden soll. „Bald werden nicht mehr viele der Zeugen da sein. Deshalb haben wir diese Veranstaltungsreihe auf den Weg gebracht“, so der Direktor der Landeszentrale, Maik Reichel.

Gast Halina Birenbaum überlebte das Warschauer Ghetto und die Vernichtungslager Majdanek und Auschwitz

Zu Gast im LCG ist die 87-jährige Halina Birenbaum, die das Warschauer Ghetto sowie die Vernichtungslager Majdanek und Auschwitz überlebte. Mit wachen Augen blickt sie lächelnd in die Runde der etwa 50 Schüler. Ein Gesichtsausdruck, der zunächst nicht erahnen lässt, welch unsägliches Leid sie erleben musste.

Die heute in Israel beheimatete Jüdin beginnt ihre Erzählung mit der Befreiung durch die Rote Armee am 2. Mai aus dem KZ Auschwitz, ihre Geschichte sei die von tausenden polnischen Bürgern ist. Detailliert erinnert sie sich an ihre Kindheit, die ab dem zehnten Lebensjahr von der ständigen Angst vor Verfolgung und Tod gekennzeichnet war.

Anschaulich schildert Birenbaum, wie die in Warschau lebenden 350 000 Menschen jüdischen Glaubens am 1. September 1939 zusammengetrieben und in ein Ghetto gepfercht wurden. Kälte, Hunger und Krankheit waren die ständigen Begleiter. „Wir haben uns gegenseitig mit den knappen Lebensmitteln geholfen.“ Das Schlimmste sei die ständige Angst vor der Deportation gewesen. Täglich fuhren auf einem extra ins Ghetto verlegten Gleis Züge mit 10- bis 15000 Menschen in die Vernichtungslager.

„Haben nicht verstanden, warum die Deutschen uns so gehasst haben“

„Wir haben nicht verstanden, warum die Deutschen uns so gehasst haben.“ Tagsüber habe man sich viel verstecken müssen, um nicht für einen der nächsten Transporte aufgegriffen zu werden. 1943, nach schrecklichen Bombennächten, ereilte sie dieses Schicksal doch.

Auf dem Sammelplatz musste Halina Birenbaum mit ansehen, wie ihr Vater zusammengeschlagen wurde. „Es war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.“ In Majdanek wurde sie von ihrer Mutter getrennt, die sie ebenfalls nie wiedertreffen sollte. Später wurde sie ins Vernichtungslager Auschwitz verbracht. „Dort fanden die ,Selektionen’ statt: Nach links gewunken bedeutete Leben, nach rechts den Tod in der Gaskammer“. Mit Glück („Ich habe oft Glück gehabt“) aber auch Courage gelang es ihr zu überleben.

Die Stille unter den Zuhörern zeugt von Betroffenheit. Dennoch wird nach dem Empfinden von Halina Birenbaum gefragt, wenn sie deutschen Boden betritt. „Der Krieg ist vorbei und wir leben wieder in einer normalen Zeit“, antwortet sie. Schüler Julia Volkert ist beeindruckt: „In der Schule lernt man viel über den Holocaust. Aber das ist sehr abstrakt. Wenn man solche Personen trifft, wird das alles sehr real.“

(mz)