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Finanzen in Wittenberg Finanzen in Wittenberg: Stadt bittet Kirchen und Land zur Kasse

Von Thomas Liersch 06.10.2019, 07:35
Für Eigentümer von Grundstücken am Wittenberger Markt werden besonders hohe Zahlungen fällig.
Für Eigentümer von Grundstücken am Wittenberger Markt werden besonders hohe Zahlungen fällig. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Nach der Wiedervereinigung war die Innenstadt von Wittenberg in desaströsem Zustand. Seither hat sich viel getan in der gesamten Altstadt, auch wenn noch längst nicht alles auf Vordermann gebracht wurde. Insgesamt 177 Millionen Euro sind inzwischen in die Sanierung geflossen, wie am Mittwoch die Stadt Wittenberg und die Sachsen-Anhaltinische Landesentwicklungsgesellschaft (Saleg) informierten.

Soweit der erfreuliche Teil ihrer Botschaft. Allerdings will die Stadt für die durch Sanierungen bewirkte Wertsteigerung der Grundstücke sogenannte Ausgleichsbeträge von den Grundstückseigentümern kassieren - dazu ist sie gemäß Baugesetzbuch auch verpflichtet.

Neu ist nun, dass nicht nur private Eigentümer solche Ausgleichsbeträge zahlen sollen, wie Kirchner erklärt. Bisher waren Grundstücke davon ausgenommen, die langfristig nicht den Besitzer wechseln - wie die der öffentlichen Hand und der Kirchen. Das Land Sachsen-Anhalt hat im vergangenen Jahr aber festgelegt, dass auch in solchen Fällen Ausgleichsbeträge zu zahlen sind. Betroffen sind Grundstücke des Landes Sachsen-Anhalt (Polizei), des Landkreises, der Stiftungen Leucorea und Luthergedenkstätten sowie der Schloss-, Stadt- und katholischen Kirche.

Wie viel zu zahlen ist

Der Wertzuwachs von Grundstücken in der Altstadt durch Sanierung wird vom Gutachterausschuss für Bodenwertermittlung auf 15 bis 50 Euro pro Quadratmeter beziffert. Wobei der höchste Wertzuwachs unmittelbar am Markt veranschlagt wird. Für ein Grundstück genau im Stadtzentrum, das 1000 Quadratmeter groß ist, wird also ein Ausgleichsbetrag von 50000 Euro fällig.

Diejenigen, die von den Zahlungen betroffen sein werden, sind informiert und Kirchner sagt: „Sie sind nicht begeistert.“ Gemeint seien etwa die Stadtkirche und die Stiftungen. Martin Stein von der Landesentwicklungsgesellschaft rechnet auch mit juristischem Widerstand: „Sicherlich werden einige das rechtlich überprüfen lassen, um sich den Zahlungen zu entziehen.“

Wer aber schnell zahlt, soll Nachlass bekommen: Die Stadt Wittenberg bereitet gerade Beschlüsse vor, die schließlich die Zustimmung des Stadtrates erhalten müssen. Darin vorgesehen: Diejenigen, die bis zum 30. Juni 2020 zahlen, erhalten einen Abschlag von 20 Prozent. Das ziele Kirchner zufolge auf eine Gleichbehandlung mit privaten Grundstückseigentümern, die schon mit einem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2013 die Möglichkeit bekamen, ihre Ausgleichsbeiträge vorfristig zu zahlen - und so jene 20 Prozent zu sparen.

Der Rabatt für Privateigentümer durch vorfristige Zahlung ist jährlich gesunken - auf inzwischen nur noch vier Prozent. Bisher haben Kirchner zufolge 58 Prozent von ihnen gezahlt, wodurch die Stadt 2,6 Millionen Euro eingenommen hat.

Alle Grundstückseigentümer, die nicht bis zum Stichtag am 30. Juni 2020 zahlen, werden Kirchner zufolge nach 2021 zur Anhörung eingeladen. Dabei werde zum Beispiel die Möglichkeit einer Ratenzahlung erörtert. Wird diese nicht vereinbart, ergehe schließlich der Bescheid über die Summe an den Grundstückseigner, die innerhalb von vier Wochen zu zahlen sei.

Wohin die Einnahmen fließen

Welche konkreten Einnahmen die Stadt sich von den nun zusätzlichen Ausgleichsbeiträgen für nicht-private Grundstücke verspricht, ist nicht beziffert. Allerdings sagt Kirchner: „Wir können uns weitere Straßensanierungen vorstellen.“ Er nennt die noch unbefestigte Feuergasse, die Neustraße Nord vorm alten Melanchthon-Gymnasium, aber auch mögliche Neupflanzungen für die Wallanlagen und die Herrichtung der Außenanlage der Bibliothek.

Der Hintergrund

Um zu profitieren von einem Förderprogramm namens „Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen“ hat die Stadt Wittenberg im Jahr 1992 die Altstadt als Sanierungsgebiet festgelegt - begrenzt durch Hallesche, Weser, Luther- und Berliner Straße.

Das Programm sieht vor, dass Grundstückseigentümer für Wertsteigerungen durch Sanierungen im Umfeld ihrer Immobilie einen Ausgleich zahlen müssen. Letzte Auszahlungen erfolgten 2016. Stichtag für die Schlussabrechnung ist der 30. Juni 2020. Deutschlandweit flossen laut Bauministerium von 1971 bis 2012 über das Programm rund 8 Milliarden Euro vom Bund an die Kommunen.

(mz)