Fahrbare Damenhandtaschen knattern durch den Kreis
PRETZSCH/MZ. - In Pretzsch steht eines der motorisierten Dreiräder neben dem anderen, während Kraatz am Rande der Bundesstraße auf den Abschleppdienst wartet. Er wäre der 22. Velorex-Besitzer, der das Treffen besucht.
So sind es "nur" 21. Jürgen Kühn ist trotzdem zufrieden. Es sind mehr als beim ersten Treffen im vergangenen Jahr - und gemessen an den 56 angemeldeten Velorex-Fahrern im von Albrecht Schwalm aus Göppingen ins Leben gerufenen deutschsprachigen Forum ist das eine ordentliche Teilnehmerquote. Kraatz hätte nicht einmal die weiteste Anreise auf eigener Achse hinter sich gehabt. Bis aus Gera ist ein Teilnehmer mit der "Karre auf Rädern" (ursprünglich hieß das Gefährt "Oskar", abgeleitet aus dem tschechischen Begriff für so eine Karre) mit 65 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit hergezuckelt. Es wäre auch schneller gegangen. 180 Sachen machen die beiden Oskars mit neuem Kawasaki-Motor, die bei der Ausfahrt durch den Südkreis mitknattern - und selbst bei Velorex-Fans für ein Staunen mit leuchtenden Augen sorgen. Umbauten sind durchaus erlaubt in der Szene, in der es allerdings auch Puristen gibt. Bruno Foitzik wird sich hüten, an seiner Maschine Großes zu verändern. In seinem Gefährt - mit Baujahr 1958 das älteste in Pretzsch - sind noch Teile vom Vorkriegsmodell verbaut. "Man hat eben genommen, was im Lager war und danach gebaut", sagt er. Und so ist fast jede der gut 15 000 Maschinen, die von 1943 bis 1973 gebaut worden sind, ein Einzelstück.
Das gilt wohl auch für die Fahrer. Sven Leist ist nach eigener Schätzung mit 1,97 Metern "der vermutlich längste Velorex-Fahrer der Welt". Überhaupt haben es die Velorex-Fans mit Spitznamen. Wer das Dreirad mit den zwei Rädern vorn und Lederbespannung überm Stahlrahmen "fahrbare Handtasche", "Fledermaus" oder "Fetzenflieger" nennt, bekommt von ihnen aus lauter Freude höchsten noch einen zum Besten gegeben. "Wir sind auf jeden Namen stolz", sagt Foitzik. Und man merkt das der kleinen Truppe im Hof des Pretzscher Parkhotels auch an. Es bilden sich Trauben, wenn die offene Rückklappe einen Blick auf den Motor gewährt. Es wird fachgesimpelt und genau geguckt. Falk Müller aus Großlehna bei Leipzig will sich hier ein paar Tipps holen. Seit vier Wochen ist er Velorex-Besitzer. Schon lange wollte er so ein Dreirad in seine Sammlung von Jawa-Motorrädern eingliedern. Jawa-Motoren sind schließlich in die Velorex eingebaut worden.
Knut Kraatz braucht jetzt Tipps, wie er seinen gebrochenen Rahmen wieder ordentlich zusammenbekommt. Das Schwärmen hat ihm der kleine Zwischenfall nicht verleidet. Immerhin hat seine betagte Velorex ihn im Mai 750 Kilometer nach Boskovice getragen. Drei Tage war er da unterwegs, um zum großen Velorex-Treffen mit 250 Maschinen zu kommen. Diesmal sollte es eben nicht sein. Schon beim ersten Treffen im vergangenen Jahr war sein Motor ausgefallen. "Aber damals hatte ich es wenigstens noch bis Pretzsch geschafft."