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Ermittlungen in Wittenberg Ermittlungen in Wittenberg: Krach im Mietshaus

Von Michael Hübner 27.10.2017, 17:39
Knatsch im Treppenhaus gab es zwischen einer syrischen und einer deutschen Familie in Wittenberg.
Knatsch im Treppenhaus gab es zwischen einer syrischen und einer deutschen Familie in Wittenberg. Symbolfoto/CC0

Wittenberg - Eine Königin - die attraktive Frau ist tatsächlich der Star eines traditionsreichen Volksfestes im Landkreis - kann nicht schlafen. Und prompt schickt die Polizei zwei Streifenwagen. Das ist in der Kurzform die Geschichte, die zwar lustig klingt, aber sehr ernst ist.

Die 29-Jährige sorgt sich um ihre beiden Kinder. Das kleine werde mehrmals nachts wach und das große habe wegen Müdigkeit Konzentrationsschwierigkeiten im Unterricht der Grundschule. Und auch das Paar selbst muss früh aus den Federn, kurz vor sechs Uhr beginnt der normale Arbeitstag. Nachtruhe ist der Familie deshalb wichtig. Störungen sind da nicht besonders willkommen.

Die Ereignisse am Dienstagabend bringen aber das berühmte Fass zum Überlaufen. Die Kinder sind schon im Bett. Und auch das Paar will schlafen - aber in der Wohnung unter der „Königin“ ist es laut. Hier wohnt eine Flüchtlingsfamilie - zwei Erwachsene mit ihren fünf Kindern.

Die Bitte um Ruhe erfolgt mit Klopfen auf dem Fußboden. „Ich habe dann plötzlich Schritte auf der Treppe im Flur aufwärts gehört und meinen Freund gebeten, nachzuschauen, was los ist“, erzählte sie. Das geht alles sehr schnell.

„Mein Freund hat sich nur noch schnell die Hose angezogen“, so die „Königin“. Als der 27-Jährige die Tür öffnet steht ein Syrer davor - es ist der Bruder der unten lebenden Frau.

Die Nationalität, sagt die Polizei später auf MZ-Anfrage, habe in dem Fall zu keiner Zeit eine Rolle gespielt. Fakt ist, beide Herren liefern sich ein lautstarkes Wortgefecht. Ein junger Mann, der zwei Etagen tiefer zu Gast ist, alarmiert das Revier und spricht von einer Auseinandersetzung.

Der Einsatz verläuft unspektakulär. Für die Beamten ist das ein ganz normaler Einsatz, eher Routine. Das sehen die Betroffenen freilich anders. „Ich möchte solche Sachen nicht mehr totschweigen, dass man nur noch Stress und Streit hat“, postet die Frau nach dem Vorfall bei Facebook.

Und schreibt weiter: „Uns ist etwas widerfahren, was mich doch sehr vom Glauben abkommen lässt. Mit Polizei und Anzeigen.“

Der Frust ist nachvollziehbar. „Gegen meinen Freund läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung, und irgendwer hält seine Hand schützend über die syrische Familie“, erläutert die Frau ihren Ärger.

Zwar habe niemand eine Strafanzeige gestellt, die Ermittlungen seien aber „von Amts wegen“ aufgenommen worden. Die Beamten vor Ort haben aber keine Verletzungen dokumentiert oder andere Beweisfotos angefertigt. Es liege auch kein ärztliches Attest vor.

Ergo: Die Auseinandersetzung bleibt verbaler Natur. Niemand wird körperlich verletzt. Es habe definitiv keinen „Faustschlag ins Gesicht“ gegeben“, sagt ein Ermittler, der an ein Missverständnis glaubt. Allerdings gebe es „den Anfangsverdacht“ einer „versuchten Körperverletzung“.

Auch dass sei kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Dagegen ist Ruhestörung eine Ordnungswidrigkeit - und dafür ist der Stadtordnungsdienst zuständig. Doch der Vorfall, sagt eine Rathaussprecherin, sei nicht bekannt.

Aber auch der Vermieter steht in der Pflicht, der von einem Einzelfall spricht. „Wir wollen nicht nur Wohnungen vermieten, sondern uns geht es um die Integration der Flüchtlinge“, sagt der Vorstand, „dabei geben wir uns sehr viel Mühe. Wir kümmern uns.“

Die Flüchtlingsfamilien sollen begleitet werden. „Wir wollen die Menschen verstehen.“ Ein Schwerpunkt der Arbeit sei das Abbauen von Vorurteilen. „Wir haben auch einen Praktikanten aus Syrien eingestellt“, wird berichtet. „Wir appellieren in den Gesprächen für die Einhaltung der Nachtruhe“, wird betont.

Bei Problemen werde versucht, „unpolitisch zu moderieren.“ Der aktuelle Fall könne noch nicht bewertet werden. Dazu fehlen dem Vorstand noch viele Details. „Aber wir hören - so wie es in einer Mail an uns gefordert wird - alle Seiten an.“

Die „Königin“ ist möglicherweise nicht mehr an einer Auswertungen interessiert. Die Familie hat ihre Konsequenzen gezogen. Sie zieht aus - aus dem unruhigen Haus. (mz)